Ratlos nach der Bruchlandung

von Redaktion

Debakel für DFB-Frauen: Erstes WM-Vorrunden-Aus der Geschichte – „surreal“

Brisbane – Martina Voss-Tecklenburg saß sichtbar erschüttert auf der Trainerbank, ihre Spielerinnen weinten nach der Blamage von Brisbane hemmungslos. Das historische Vorrunden-Aus bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland versetzte Kapitänin Alexandra Popp und Co. in Schockstarre, das krachende Scheitern nur ein Jahr nach dem EM-Höhenflug sorgte für Trauer, Wut und Ratlosigkeit.

„Das war nicht unser Anspruch“, brachte Popp nach dem 1:1 der DFB-Frauen im abschließenden Gruppenspiel gegen Außenseiter Südkorea, das nach dem überraschenden Sieg von Marokko gegen Kolumbien (1:0) zu wenig war, mühsam hervor. „Ich kann nicht verstehen, was hier gerade abgeht“, bekannte sie ehrlich. Ihr viertes Turniertor (42.) reichte nach dem schnellen Schock durch Sohyun Cho (6.) nicht aus. Die eigene Zukunft ließ die 32-Jährige offen.

Die sichtlich mitgenommene Voss-Tecklenburg zeigte sich selbstkritisch. „Wir haben zweimal ein Ergebnis erzielt, das nicht ausreicht. Dem müssen wir uns stellen – und das in erster Linie in meiner Person“, sagte die Bundestrainerin und betonte: „Ich stelle mich jetzt in erster Linie vor die Mannschaft.“

Voss-Tecklenburg besitzt noch einen Vertrag bis 2025. An ihre Zukunft wollte die 55-Jährige im Brisbane Stadium aber noch nicht denken. „Ich stehe dazu, dass wir das nicht geschafft haben weiterzukommen, aber gebe mir die Möglichkeit, nicht vorschnell etwas zu sagen. Ich brauche das auch, um das verarbeiten zu können“, sagte Voss-Tecklenburg. Ehemann Hermann glaubt nicht an einen Rückzug. „Kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, sagte er, „sie ist eine Kämpferin.“

Statt dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) nach drei Turnier-Enttäuschungen bei der A-Nationalmannschaft der Männer und dem Gruppen-Aus der U21 bei der EM wieder einen glanzvollen Sommer zu bescheren, ist das nächste Desaster perfekt: das erste WM-Vorrunden-Aus eines DFB-Frauen-Teams überhaupt. Dabei war der zweimalige Weltmeister beim 6:0 gegen Marokko noch furios ins Turnier gestartet. Doch die Niederlage gegen Kolumbien (1:2) sorgte nach der schwachen Vorbereitung für Verunsicherung.

„Es ist ein bisschen surreal. Ich glaube, wir müssen es einfach jetzt noch einmal hinterfragen, ob das von uns als Einzelspielerin auch genug war“, sagte Lena Oberdorf. „Wir haben es nicht auf den Platz bekommen“, gestand Jule Brand.

Voss-Tecklenburg versuchte es nach der Rückkehr von Abwehrchefin Marina Hegering mit der wenig erprobten Dreierkette, das nutzten die ebenfalls ausgeschiedenen Südkoreanerinnen in der Anfangsphase gegen eine nervöse DFB-Auswahl eiskalt aus. „Wir verteidigen es nicht gut“, kritisierte Oberdorf.

Auch das Offensivspiel lahmte wie schon gegen Kolumbien. Die Idee war, mit Flanken gegen die kleineren Gegenspielerinnen zum Erfolg zu kommen. Das funktionierte vor 38 945 Zuschauern aber nur beim Ausgleich. In der Schlussphase sorgte die eingewechselte Sydney Lohmann noch für Gefahr, das war es aber auch. „Bis auf Lohmann hat uns Deutschland keine Probleme bereitet“, sagte Südkoreas Trainer Colin Bell.

Bernd Neuendorf wollte zu einem möglichen Achtelfinale nach Australien reisen, den Flug kann sich der DFB-Präsident nun sparen. Über die Gründe für das frühe Scheitern rätseln die Protagonistinnen. „Jetzt zu sagen, woran es gelegen hat, kann ich gerade nicht, weil ich es alles noch nicht greifen kann“, sagte Popp, die als einzige deutsche Offensivspielerin bei der WM überzeugt hatte.

Nach einem gemeinsamen Abendessen im Hotel stand für die DFB-Frauen das schmerzhafte Kofferpacken an. An diesem Freitag geht es zurück in die Heimat. Oberdorf wagte einen kurzen Blick in die Zukunft: „Fakt ist, dass wir als Team da durchgehen werden, den Fokus auf die Nations League richten und uns dann einfach für Olympia qualifizieren müssen.“  sid

Voss-Tecklenburg selbstkritisch

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