Der Kampf seines Lebens

von Redaktion

Robin Krasniqi boxt im Fußballstadion von Pristina – für seine Heimat und die Menschen im Kosovo

München – Ohne Pathos und ohne Superlative geht es im Berufsboxen nicht – klar, dass Robin Krasniqi das, was am Samstag auf ihn zukommt, den „Kampf seines Lebens“ nennt. Nicht wegen des Gegners Nadjib Mohammedi aus Algerien, denn Krasniqi hatte schon andere Kaliber vor den Fäusten als einen 38-Jährigen, der 57. der unabhängigen Weltrangliste im Halbschwergewicht ist. Auch nicht wegen des Titels, denn Krasniqi war bereits Weltmeister, der zu vergebende „Silver Title“ ist weit darunter anzusiedeln. Was ihn aber anrührt: Sein 60. Kampf ist einer, „den ich diesem armen Land schuldig bin“. Fast 18 Jahre nach seinem Debüt in München boxt Krasniqi, mittlerweile 36, endlich im Kosovo, im Land, in dem er seine Wurzeln spürt und das er „meine Heimat“ nennt. Neben München, wohin er als Teenager übersiedelte und Boxer wurde, neben Gersthofen bei Augsburg, wo er sich ein Gym eingerichtet und bereits die zweite Karriere eingeschlagen hat: Trainer und Promoter.

Er selbst wird nicht mehr oft boxen, aber dieses Mal wird er noch im Mittelpunkt stehen: Vor fast drei Wochen machte Robin Krasniqi sich vom Trainingslager im Bayerischen Wald auf nach Pristina. Dort steht das Fußballstadion Fadil Vokrri, und es wird mit an die 25 000 Menschen gefüllt sein. Hier wird Krasniqi der Lokalmatador sein und der Kämpfer, den das Publikum siegen sehen will. Vor knapp zwei Jahren in Magdeburg war das seinem Eindruck nach nicht so: Er verlor durch ein umstrittenes Punkturteil seinen 2020 errungenen Weltmeistertitel gegen Dominic Bösel. Er hatte den Verdacht, Bösel als Champion passe besser in die Strategie des Boxstalls SES, dem sie beide angehörten. Das Management von Robin Krasniqi ließ den Kampf von alternativen Punktrichtern nachträglich neu bewerten, konnte jedoch keine Korrektur bewirken. Der Gürtel war weg. SES und Krasniqi sind seitdem geschiedene Leute, auch vom Bund Deutscher Berufsboxer hat er sich losgesagt. Er veranstaltete in diesem Jahr selbst zweimal eine „Robin Krasniqi Fight Night“, im Münchner Audi Dome und in der Gersthofer Stadthalle, die Aufsicht hatte der Österreichische Boxverband. In Pristina wird der kosovarische zuständig sein.

„Ich bin stark wie noch nie“, verspricht Robin Krasniqi. Auch so ein Boxersatz, aber bei ihm nicht ohne Substanz, denn er ist ein Trainingsmonster. Wieder hat er sich in der Vorbereitung dem Schleifer Sepp Maurer in dessen Sportschule im Bayerischen Wald anvertraut. „Sepp ist eine Legende“, sagt er. „Wir haben trainiert, bis wir geblutet haben“, fasst Maurer die Arbeit zusammen, „und nicht nur die Fäuste haben geblutet, sondern auch das Herz.“ Die boxspezifische Trainingsarbeit übernahm zum zweiten Mal Jürgen Brähmer (44). Auch er steht für eine besondere Geschichte. Er war das deutsche Jahrhunderttalent, wurde auf Kuba Juniorenweltmeister, leistete sich aber strafrechtliche Espakaden, die zu Gefängnisaufenthalten führten und seine Boxkarriere lange beeinträchtigten. Er fing sich, wurde später Europa- und Weltmeister. Er verteidigte seinen WM-Titel 2015 gegen den, den er nun selbst anleitet: Robin Krasniqi.

Auch bei Krasniqi geht die Karriere im Ring allmählich in eine am Ring über – als Trainer und Veranstalter. Zupass kommt ihm, dass etliche Boxer in Deutschland aus dem Kosovo stammen. James Kraft (26) etwa, der eigentlich Musa Avdimetaj heißt und vom Münchner Promoter Alexander Petkovic einst einen deutsch klingenden Künstlernamen verpasst bekam. James Kraft steht auf der Undercard des Krasniqi-Abends in Pristina, ebenso Kushtrim Tahirukaj, Krasniqis Cousin. Auch Qendrim (24), Robins jüngerer Bruder, ist Berufsboxer.

Robin Krasniqis ursprünglicher Vorname lautete Haxhi, weil das für deutsche Ohren sperrig klang, ersetzte er es durch das geschmeidigere Robin. In der Frühphase seiner Laufbahn litt Haxhi alias Robin darunter, dass man ihn, der nie als Amateur geboxt hatte, nicht bemerken wollte, nicht ernst nahm. Es gab in Deutschland einen Krasniqi, Luan mit Vorname, der berühmt war, weil er im Schwergewicht boxte, 2005 einen großen WM-Kampf hatte (gegen Lamon Brewster) und eloquent in Talkshows auftrat. Robin verwies darauf, dass er wie Luan aus der Stadt Junik stamme und man sogar weitläufig verwandt sei. „Ich habe noch nie von ihm gehört“, sagte der große Krasniqi über den kleinen Krasniqi aus München. Und jetzt boxt Robin Krasniqi daheim im Fußballstadion, ist ein Star – und es tut ihm gut. GÜNTER KLEIN

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