Sollte das Wetter halbwegs mitspielen, wird am Samstag alles sein wie immer, wenn in Giesing der Ball wieder rollt. Löwen-Fans versammeln sich, am Grünspitz, vor den Boazn, rund ums Stadion. Wiedersehensfreude, da schmeckt die Stehhoibe gleich doppelt so gut. Anders als vor einem Jahr wird die Gefühlslage sein, den eigenen Verein betreffend. Augusteuphorie? Aktuell geht es eher in Richtung Novemberblues. Die wenigsten Fans erwarten, dass Ihnen der Anlass ihrer Treffen, der Fußball, Freude bereiten wird.
Das ist neu, das gab es selbst in trostlosesten Zweitliga-Jahren nicht. Wenn die Löwen obenauf waren, dann auf jeden Fall im Sommer. Breite Brust nach Testspielen, harmonisches Trainingslager, Transfers, die Mut machen. Diesmal jedoch: Von Tittling (12:0) abgesehen hat das neue Team in keinem von elf Spielen über 90 bzw. 60 Minuten überzeugt, eher war sogar das Gegenteil der Fall. Weder vorne noch hinten lässt sich eine Struktur erkennen, das Team wirkt hierarchielos. Es fallen kaum Tore, dafür patzt hinten jedes Mal ein anderer.
Geschuldet ist das alles einer Transferpolitik, die tief blicken lässt. Erst hatten die Löwen noch einen Gorenzel, aber kein Geld. Dann war plötzlich Geld da, aber kein Sportchef. Symptomatisch für einen in sich zerstrittenen Verein. Am Ende wurden doch irgendwie Spieler nach Giesing gelotst, zwölf an der Zahl, aber wie die zu einer Einheit werden sollen, das ist auch kurz vor dem Start ein Rätsel. Bezeichnend der Auftritt im Totopokal am Mittwoch: Einsamer Lichtblick war Marlon Frey – und ausgerechnet der darf wegen einer Rotsperre erst Ende August mitspielen.
Selbst Maurizio Jacobacci, dem Architekten des neuen Teams, gingen zuletzt die Argumente aus. Müde Beine schön und gut, aber das heißt schon was, wenn der Trainer an die Geduld des Publikums appelliert, um wohlwollende Unterstützung bittet, ein Zwischenfazit erst nach acht Spieltagen zulässig findet, als Anfang Oktober. Im Fußball hat man selten so viel Zeit, bei 1860 sowieso nicht. Oder wird am Ende doch alles gut? Die Optimisten unter den Löwen-Fans (ja, auch die gibt es), klammern sich an die Launen des Fußballs, hoffen, dass es diesmal andersherum laufen könnte als vor einem Jahr. Damals grüßte Sechzig nach acht Spieltagen von einem Direktaufstiegsplatz. Das Ende ist bekannt.
Jacobaccis Löwen haben ab Samstag die Chance, es besser zu machen, sich wie vom Trainer gefordert in die neue Saison hineinzubeißen. Dass die Erwartungen gering sind wie selten, muss dabei kein Nachteil sein.
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