Männersport des Sommers

Transfers und Testosteron

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Das Bemühen des FC Bayern, von Tottenham Hotspur Harry Kane zu erwerben, fällt auf das Jubiläum „20 Jahre Roy-Makaay-Transfer“. Die Älteren erinnern sich an ein Schauspiel, dessen letzter Akt hochdramatisch in München stieg. Der Mittelstürmer von Deportivo La Coruna, der die Bayern aus der Champions League geschossen hatte und so zum Verpflichtungsziel geworden war, saß mit Familie bereits im Hotelzimmer, im Olympiastadion war das Podium bereitet für die Präsentation des größten Transfers der Vereinsgeschichte, der BR hatte eine Sondersendung ins Programm genommen – doch von Spanien und seiner Rechtsanwaltskanzlei aus drehte der Depor-Boss mit dem schönen Namen Augusto Cesar Lendoiro noch ein wenig an der Preisschraube. Der FC Bayern stand kurz vor Einberufung einer Pressekonferenz zum Thema Menschenrechte und der Organisation eines Fackelzugs für die Befreiung von Roy Makaay, Frau und Kindern aus der Geiselhaft, wählte letztlich aber den konventionellen Weg und bezahlte das Lösegeld.

Die Harry-Kane-Transfersaga ist auf ähnliche Weise und je nach Position ärgerlich, lächerlich oder großartige Liveticker-Unterhaltung, zu der man Popcorn ordern möchte. Bayern-Fans, die Kane herbeisehnen, suchen im Flugplan von Oberpfaffenhofen nach Privatmaschinen, die aus London-Northolt kommen. Vielleicht sollten sie auch die großen Linienflüge von München nach Miami im Auge haben, falls die Transfer-Taskforce des FC Bayern beim in Florida weilenden Spurs-Chairman Daniel Levy einen Höflichkeitsbesuch abstattet und fragt, ob man frische Handtücher an den Pool bringen dürfe. Überhaupt: Dass der wichtigste Mann in einem Club in der heißesten Transferphase Urlaub macht – das ist: Taktik, Teil des durchtriebenen Spiels? Ich habe was, das du willst, ich interessiere mich für dein Angebot aber gar nicht – oder willst du es anpassen?

In der Wechselzeit trieft der Fußball mal wieder nur so von Testosteron, Verhandlungen als Männersport, ein Wettbewerb der Unnachgiebigkeit – bei der die Seite, auf der man steht, wechseln kann. Sommer 2022: Die Bayern haben Ärger mit ihrem Lewy, der trotz eines Vertrags weg will, da werden sie ganz hart. Sommer 2023: Die Bayern haben Ärger mit Levy, der ihnen einen Spieler, der noch unter Vertrag steht, nicht zu ihren Vorstellungen überlassen will. Levy, werde endlich weich!

Wie das alles ausgeht? Können wir allenfalls erahnen, wissen tun wir es nicht. Fest steht nur: Modernes Transfergezerre verursacht einen unzeitgemäßen CO2-Abdruck. Vielleicht werden Transfervereinbarungen künftig wie folgt formuliert: Ablöse plus Boni plus Unsinnige-Flüge-Kompensation.

Guenter.Klein@ovb.net

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