München – Die Spieler verschwanden in die Kabine, der Zamboni glitt aufs Eis – doch das erste Training der neuen Saison beim EHC Red Bull München war damit keineswegs beendet. Es gab noch eine „zweite Halbzeit“.
Das war eine Neuerung: Dass der Trainer die Übungseinheit unterbrach, um das Eis neu aufbereiten zu lassen. „Die Eisqualität um diese Jahreszeit ist nicht so gut“, erklärte Toni Söderholm, daher lasse er bei hohen Außentemperaturen das Spielfeld auffrischen, „um danach zielgerichteter an den Baustellen arbeiten zu können“. Die Zeit dazwischen nutzt er für taktische Erläuterungen in der Kabine, das bewahrt ihn davor, vor dem Training lange Meetings abzuhalten, die er nicht sonderlich schätzt.
Söderholm sagt, er spüre „Dankbarkeit, dass ich diese Mannschaft von Don übernehmen darf“. Aber er will nicht alles so machen, wie Don Jackson es neun Jahre hier am Oberwiesenfeld gemacht hat. „Ich bringe einige neue Puzzleteile dazu“, verrät der 45-jährige Finne, der seine spezielle München-Geschichte geschrieben hat: Erste Ferienaufenthalte in der Stadt „mit drei, vier, als Kind, weil mein Vater bei BMW gearbeitet hat“. 2015/16 spielte er für den EHC, wurde Meister, anschließend Co-Trainer und zuständig für die Außenstelle SC Riessersee. 2019 bis 22 dann Bundestrainer beim in München ansässigen Deutschen Eishockey-Bund. Nun die Rückkehr in den Verein, der mit ihm die Meisterschaft von 2023, Jacksons Erbe, verteidigen soll.
Dafür hat Söderholm auch einige Neue bekommen. Der schwedische Verteidiger Adam Almquist fehlt erkältet, doch die aus Mannheim gekommenen Markus Eisenschmid und Nico Krämmer sind dabei, ebenso Verteidiger Dominik Bittner aus Wolfsburg. Wobei die Herkunftsorte täuschen: Sie sind alle Bayern. Bittner fing mit drei in Peißenberg an und war, weil sein Vater bei einem Quiz den Platz gewann, mal „Einlaufkind bei den München Barons“, die es von 1999 bis 2002 gab. Eisenschmid kommt aus dem Allgäu, angesichts dieser geografischen Nähe traut er sich zu sagen, dass München „meine Region ist“. Krämmer ist Landshuter, Neffe des legendären Gerd Truntschka, der 1994 seine Karriere mit der Meisterschaft bei Hedos München beendete. In der Jugend spielte Krämmer beim EV Landshut in einer Reihe mit den späteren NHL-Cracks Tom Kühnhackl und Tobi Rieder. Als er in die weite Welt aufbrach (wie Eisenschmid und Bittner auch nach Kanada zwischendurch), „war ich ein Junge. Jetzt kehre ich als Mann nach Bayern zurück. Es ist eine Familie dazugekommen: zwei Kinder, zwei Hunde, eine Frau.“
Die Entscheidung für München hatte mit Heimatnähe zu tun. Bei Eisenschmid war es so, dass er den Eindruck hatte, „in Mannheim festgefahren zu sein“. Nicht so sehr in der Trainer-Spieler-Beziehung, er habe bei den Adlern ja auch „den Durchbruch geschafft und die Meisterschaft gewonnen“ – aber es sollte was Neues sein.
Die Integration fällt den Neuen leicht. Sie waren unter Bundestrainer Söderholm Nationalspieler, erlebten zusammen die WM 2021 in Riga unter strengen Corona-Auflagen mit Platz vier „und einem Mannschaftsgeist, den ich hier auch spüre“, so Eisenschmid.
Dominik Bittner kennt viele Münchner aus den Jugend-Lehrgängen des Bayerischen Eissport-Verbandes, „bei Kony Abeltshauser habe ich oft übernachtet“. Mit Wolfsburg scheiterte er in den Playoffs einige Male an München. „Da dachte ich mir: Wenn du sie nicht schlagen kannst – schließe dich ihnen an.“