Glasgow – Im Schmuddelwetter von Glasgow fiel das Wiedersehen nach fünf Jahren im Kreise der Nationalmannschaft bei Lennard Kämna herzlich aus. „Ich wurde mit offenen Armen empfangen. Ich habe viele alte Gesichter wiedergesehen. Mit der WM verknüpfe ich hauptsächlich sehr gute Erinnerungen, vor allem mit dem absoluten Highlight 2014“, sagte der 26 Jahre alte Radprofi vom Raublinger Rennstall Bora-hansgrohe. 2014 war Kämnas Stern einst im Nationaltrikot mit dem Junioren-Weltmeistertitel im spanischen Ponferrada aufgegangen. Es folgten weiter Medaillen im U23-Bereich, sodass ihm schnell eine große Karriere als Rundfahrer prophezeit worden war.
Etappen bei der Tour de France und dem Giro d’Italia hat er inzwischen längst gewonnen. Auch das Gelbe Trikot war im vergangenen Jahr für einen Tag mal in Reichweite, nur elf Sekunden hatten in Megeve gefehlt. In diesem Jahr nahm Kämna erstmals die Gesamtwertung bei einer großen Rundfahrt in Angriff, erreichte mit Platz neun beim Giro sein gestecktes Ziel.
Bei der am 26. August beginnenden Vuelta will der Hochbegabte aus Fischerhude wieder auf Etappenjagd gehen, wie er ankündigt. Gelingt ihm das, hätte er bei allen drei Rundfahrten jeweils einen Tagessieg geholt.
Bevor es aber in den heißen Süden nach Spanien geht, stehen im deutlich kühleren Schottland nationale Aufgaben bei der WM an. Im Einzelzeitfahren über 47,8 Kilometer an diesem Freitag in Stirling geht es für Kämna und den deutschen Meister Nils Politt um eine Top-Ten-Platzierung, damit ein zweiter Startplatz für Olympia in Paris gesichert werden kann. Keine leichte Aufgabe angesichts der namhaften Startliste mit den Jungstars Evenepoel und Pogacar, den Ex-Weltmeistern Filippo Ganna (Italien) und Rohan Dennis (Australien) oder dem früheren Tour-Champion Geraint Thomas (Großbritannien).
Platz zehn sei das Mindestziel, so Kämna. „Ich bin optimistisch, dass es klappt.“ Der inzwischen am Bodensee lebende Radprofi räumt zwar ein, dass er nicht in absoluter Topform ist. „Ich bin aber auf einem guten Level“, sagt er. Und fügt hinzu: „Ich denke, es ist ein ziemlich harter Kurs. Es gibt wenig Zeit zum Durchatmen. Man muss immer Druck auf dem Pedal haben. Mal sehen, was am Ende aus den Beinchen rauskommt.“
André Greipel jedenfalls baut auf ihn. „Lennard hat von mir das Vertrauen, dass er das Beste rausholt“, sagt der neue Bundestrainer.