Es war eine der schönsten Geschichten der Leichtathletik-Europameisterschaft im vergangenen Jahr. Lokalheld Tobias Potye gewann im Münchner Olympiastadion Silber im Hochsprung, obwohl er zuvor im Training gar nicht springen konnte, da der Körper immer wieder zwickt. Mit 2,34 m ist der 28-Jährige in diesem Jahr die drittbeste Höhe gesprungen. Ausrutscher nach oben oder gibt es die Wiederholung bei der Weltmeisterschaft in Budapest? Das Interview mit unserer Zeitung.
Tobias Potye, beim Diamond-League-Meeting in Chorzow sind Sie im Juli mit 2,34 m in die Weltspitze gesprungen.
Es war einfach aufregend. Ein sehr intensiver Wettkampf, in dem ich mich emotional ganz schön hochgefahren habe. Es war genau das Feld, das ich gesucht und gebraucht hatte. Ich bin nur schwer in den Wettkampf gekommen, habe mich der Sache aber nicht einfach ergeben, sondern mich immer mehr reingefuchst. Das war schon eine krasse Show.
Wie viel Aufwind gibt eine solche Höhe?
Jeder Zentimeter bedeutet im Endeffekt mehr Aufwand. Ich hatte den Eindruck, dass ich nach vorne renne und richtig abhebe. Ich habe sehr viel Geschwindigkeit, mit der ich arbeite. Wenn ich aus der Geschwindigkeit den Sprung treffe, gibt es immer die Chance, dass ich richtig wegfliege. Die nächsten drei Tage bin ich erst mal nicht zur Ruhe gekommen. Das Nervensystem hat noch nachgefeuert. Ich hatte mir gewünscht, dass ich vor der WM schon eine Spitze raushauen kann. Das große Finale wartet dann natürlich in Budapest.
Motiviert es noch mal mehr, wenn man, wie in Polen, gegen die Elite springt?
Es war natürlich ein Reiz für mich, in der Diamond League mal zu zeigen, was ich draufhabe. Genau auf solche Gelegenheiten mit einer super Konkurrenz warte ich. Ich hatte immer ein bisschen dasGefühl, dass die Stars nicht ganz wissen, was ich draufhabe. Jetzt konnte ich mich da oben zu Wort melden. JuVaughn Harrison ist ein sehr konstanter, starker Hochspringer, aber auch ein Quatschkopf (lacht). Er kam zu mir und meinte: Oh, was geht denn bei dir ab? Woher kommt das? Das fand ich cool, diese Anerkennung zu bekommen.
Eine Woche nach Polen wurden Sie in London mit 2,20 m Siebter. Was war da los?
Ich habe versucht, wieder die gleiche Intensität wie in Polen herzustellen. Da hat der linke Oberschenkel dann aber zugemacht. Ich bin es gewohnt, mich mit Sehnenschmerzen herumzuplagen, damit kann ich umgehen. Aber es ist was völlig anderes, wenn ein Muskel zumacht, dann weigert er sich.
An Ihrer Seite ist immer Trainer Sebastian Kneifel. Wie wichtig ist dieses Vertrauensverhältnis?
Es ist unendlich wichtig. Ohne die Zusammenarbeit würde das Ganze nicht funktionieren. Es entlastet, wenn du weißt, dass sich auch andere um deine Probleme kümmern. Der Coach schlägt auch manche Schlachten für einen.
Wie gehen Sie die WM in Budapest an?
Ich bin zuversichtlich für Budapest. Es ist nicht so, dass ich das Springen verlernt habe. Meine Form ist nicht weg. Es bedarf noch etwas mehr Pflege und Aufmerksamkeit für meinen Körper. Und dann muss ich einfach cool bleiben. Es gibt eine hohe Leistungsdichte. Es ist überhaupt nicht einfach, da vorne mitzuspringen, aber es ist möglich. Ich muss effizient durch die Qualifikation kommen, Körner sparen, um dann idealerweise noch mal so einen Höhenflug hinzubekommen.
Interview: Nico-Marius Schmitz