München – Die Situation der deutschen Leichtathletik hat natürlich auch Kristin Pudenz wahrgenommen. Die Medaillenkandidaten sind ohnehin schon rar gesät, hinzu kommen vor der Weltmeisterschaft in Budapest die schmerzhaften Absagen von Stars wie Malaika Mihambo oder Bo Kanda Lita Baehre. „Diejenigen, die vorne mitlaufen oder -werfen, rücken dadurch noch mehr in den Fokus“, sagt Pudenz im Gespräch mit unserer Zeitung.
Und die Diskuswerferin vom SC Potsdam wirft vorne mit. Silber bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020, Silber bei den Europameisterschaften 2022 in München (eine Medaille, die an jenem Abend mit den Goldmedaillen von Niklas Kaul und Gina Lückenkemper fast schon unterging), Gold bei den Europaspielen dieses Jahr in Krakau.
„Natürlich ist es schön, wenn wahrgenommen wird, dass man in dem Kreis angekommen ist und zur Weltspitze gehört“, sagt Pudenz und räumt gleichzeitig ein: „Aber es ist auch ein Druck, der auf einem lastet. Gerade wenn es sonst sportlich nicht so rundläuft im Verband. Nach dem Motto: Die wenigen, die noch da sind, müssen die Leistung auf jeden Fall abrufen.“
In den letzten Wochen hat Pudenz keinen Wettkampf mehr absolviert, jeder Tag bis Budapest sollte im Training so effektiv wie möglich genutzt werden. Dazu zählte eine Kraftwoche in Potsdam, sieben Tage auspowern. Danach ging es acht Tage zum Trainingslager nach Südtirol. Technik verfeinern und festigen. „Im Trainingslager werfe ich mehr als sonst. Da geht es aber um kleinere Details. Was bis dahin nicht da ist, kann man auch bis Budapest nicht mehr aufbauen.“
Am Sonntag beginnt die Qualifikation der Diskuswerferinnen. Neben Pudenz starten auch Shanice Craft (SV Halle) und Claudine Vita (SC Neubrandenburg) für Deutschland.
Der starke nationale Kader setzt die Potsdamerin unter Druck. Das hat sie vor den Deutschen Meisterschaften und der erfolgreichen Titelverteidigung wieder gespürt, als sie früh wusste: Die anderen sind auch stark, das wird kein Selbstläufer! „Im Training hat man eigentlich immer ein bisschen im Hinterkopf, dass es genug andere Deutsche gibt, die einem den Platz streitig machen, wenn man mal nicht fit ist.“
Pudenz hat mit 66,84 m die viertbeste Weite in diesem Jahr geworfen (Craft und Vita folgen auf den Rängen sechs und sieben). Einzig die Amerikanerin Valarie Allman (70,25 m) ist 2023 überlegen, dahinter tummeln sich die Medaillenkandidaten auf ähnlichem Niveau. „Es gibt keinen hundertprozentigen Favoriten, sondern fünf, sechs Frauen, denen man den Sieg zutrauen kann. In Budapest kommt es dann zum Showdown. Das wird schon gut spannend“, sagt Pudenz.
Die 30-Jährige vertraut auf ihre Erfahrung. In den letzten Jahren war sie immer auf den Punkt fit. Das Training so auszurichten, dass beim Höhepunkt die beste Leistung gezeigt wird, geht auf. Bei den Olympischen Spielen in Tokio und den European Championships in München (67,87 m) konnte Pudenz jeweils Bestleistung werfen.
In Budapest soll die Bestleistung dann fallen. „Durch die Medaillen der letzten Jahre ist der Fokus natürlich auch ein anderer geworden“, sagt Pudenz: „Man läuft nicht einfach mehr nur so mit und ist vielleicht mal vorne mit dabei. Sondern es wird erwartet, dass man vorne mit dabei ist.“