Der Wolf hat Bock

von Redaktion

DFB-Nachwuchs-Sportdirektor will wieder mehr am „rohen Fußball“ arbeiten

VON GÜNTER KLEIN

Frankfurt/München – Rudi Völler schmunzelt großväterlich gütig, als er hinüber zum neuen Sportdirektorenkollegen blickt: „Der Hannes ist seit Wochen in den Startlöchern. Er hätte am liebsten schon losgelegt.“ Jetzt kann er’s tun: Hannes Wolf (42) ist nun offiziell „Direktor Nachwuchs, Training und Entwicklung“ beim Deutschen Fußball-Bund. DFB-Präsident Bernd Neuendorf: „Hannes sprüht vor Energie, hat Lust auf den Job. Neudeutsch gesagt: Er hat einfach Bock.“

Der ehemalige Bundesliga-Trainer Hannes Wolf ist aber nicht der neue Oliver Bierhoff oder der Mann, der 2024 Nachfolger von Rudi Völler als Manager der A-Nationalmannschaft wird. Er fügt sich ein „in eine neue Struktur, die wir uns geben wollen“, so Neuendorf. Der alte Bierhoff-Bereich habe eine zu große Zuständigkeit entwickelt, wir wollen klare Verantwortlichkeiten.“ Es wird an der Spitze „einen Geschäftsführerin oder einen Geschäftsführer geben, mit Budget- und Personalverantwortung“ – favorisiert ist derzeit die bei der UEFA tätige Nadine Keßler (35). Dazu wird es drei Sportdirektoren geben, „entlastet von administrativen Aufgaben“. Rudi Völler ist bis zur EM 2024 für A-Team und U 21 tätig, Wolf übernimmt den Nachwuchs weiblich wie männlich und soll Akzente in der Trainingsarbeit im ganzen Land setzen, gesucht wird jemand, der die Frauen-Nationalmannschaft begleitet. Man werde „vier Personen haben, die das Gesicht des deutschen Fußballs abbilden“ – zwei muss der DFB noch finden.

Nun aber erst einmal die Präsentation von Hannes Wolf, der reden kann, dass einem die Niagarafälle wie ein Rinnsal vorkommen. Er war Profitrainer beim VfB Stuttgart, Hamburger SV und begrenzt interimistisch für neun Wochen unter Rudi Völler bei Bayer Leverkusen – doch Wolfs Passion ist eindeutig die Trainingslehre, er geht das Thema mit einer Fülle an Daten an, hat seine exakten Vorstellungen über die Anzahl an Ballkontakten, die ein Spieler haben muss, und die Minuten für bestimmte Trainingsformen – und es sind nicht immer gerade Zahlen („Vier gegen vier 16 Minuten die Woche“). „Freude, Intensität, Wiederholung“, das sind die Pfeiler seines Lehre. Er blickt zurück auf seine Zeit als Jugendtrainer in Dortmund: „2010, da haben wir pro Woche 450 Minuten trainiert, es gab damals noch keine Videoanalyse vom Gegner, man hat sich also 450 Minuten auf sich selbst konzentriert. Nun sind wir Kinder unserer Zeit, hast du Wissen, baust du es ein. In der Folge gehen 150 Minuten in die Gegnerorientierung.“ Heißt: Es wird weniger mit dem Ball gerabeitet, weniger auf Tore gespielt.

Hannes Wolf ruft Sandro Wagner auf: „Wie war das bei dir in der Bayern-Jugend?“ Wagner, von der SpVgg Unterhaching gerade in den DFB-Trainerstab gewechselt, antwortet: „Wir haben am rohen Fußball gearbeitet, da müssen wir wieder hinkommen, das ist keine Raketenwissenschaft.“ Wagner gehört wie die Zwillinge Lars und Sven Bender und Ex-Profi Hanno Balitsch oder Fossil Hermann Gerland zum elfköpfigen „Kompetenzteam“, das Wolf aufgestellt hat.

Wolf ist für kleine Spielformen in der Jugend, dass es beim Funinho keine Tabellen mehr gibt, findet er nicht schlimm: „Verloren und gewonnen wird nach wie vor.“ Er hat Statistiken dabei, die Ballkontakte auflisten: „Jede Minute muss dafür da sein, an der individuellen Qualität zu arbeiten.“

Doch seine Begeisterung wird erst noch überspringen müssen. Bislang ist die Trainergilde im Land noch zurückhaltend, was die neuen Ideen des DFB betrifft. Videos mit Hermann Gerland und Peter Herrmann, einem anderen alten Lehrmeister, stehen längst zur Verfügung – „doch 90 Prozent haben sie noch nicht abgerufen.“ Das kann Wolf nicht verstehen: „Für diese Ratschläge wäre ich zu Fuß nach München gegangen.“

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