„Ich will der Ukraine ein Lächeln schenken“

von Redaktion

Dreisprung-Star Bech-Romantschuk über den Krieg in der Heimat und Hoffnung durch Sport

Bei der Europameisterschaft in München gewann Maryna Bech-Romantschuk im vergangenen Sommer die Goldmedaille im Dreisprung. Auch in Budapest will die 28-Jährige wieder um eine Medaille springen. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Bech-Romantschuk über den Krieg in der Heimat und Hoffnung durch den Sport.

Frau Bech-Romantschuk, können Sie uns erzählen, wie aktuell die Situation in Ihrer Heimat ist?

Meine Heimatstadt wurde in den letzten zwei bis drei Wochen heftiger bombiert. Wir leben in der Nähe von einem Flughafen. Das ist ein schreckliches Gefühl. Du kannst dir nie sicher sein. Ich mache mir jeden Tag Sorgen um meine Eltern und Freunde. Die letzten Wochen und Monate sind wirklich nur schwer zu verarbeiten.

Der Leichtathletik-Weltverband steht entschlossen zum Ausschluss russischer Sportler. Wie viel bedeutet Ihnen das?

Der Verband ist eine große Hilfe für uns. Sie unterstützen das ukrainische Team, beispielsweise wie jetzt mit dem Trainingslager vor der WM in Budapest. Das ist enorm wichtig für uns. Das gibt uns das Gefühl, dass wir nicht alleine gelassen werden, dass die Menschen an unserer Seite stehen. Russland ist ein terroristischer Staat, deshalb ist es für uns klar, dass keine russischen Sportler dabei sind. Es gibt russische Sportler, die nichts gegen den Krieg sagen. Und es gibt sogar Sportler aus Russland, die den Krieg unterstützen. Im Wettbewerb geht es auch um Freundschaften, wir sind wie eine große Familie. Aber meine Familie, meine Freunde, wir Athleten fühlen uns aktuell nicht sicher. Viele Sportler haben ihr Training gestoppt und sind an die Front gegangen. Um für die Zukunft von unserem Land zu kämpfen. Die russischen Sportler müssen den Preis dafür zahlen und dürfen nicht teilnehmen.

Beim Fechten oder im Tennis dürfen russische Sportler antreten. Das IOC spricht hier von neutralen Athleten.

Die Situation von der Fechterin Olga Kharlan hat doch gezeigt, dass wir uns nicht wohlfühlen im Wettbewerb mit russischen Sportlern. Viele Leute verstehen vielleicht immer noch nicht, was gerade in der Ukraine passiert. Die Russen können gut schlafen und essen, sie müssen sich keine Gedanken darüber machen, dass ihr Haus bombardiert wird. Russische Sportler sollten nur in Russland antreten. Es kann da keine Neutralität geben. Okay, sie treten ohne ihre Flagge an. Und jetzt? Wir wissen doch trotzdem, dass es ein russischer Sportler ist. Ob er unter weißer Flagge antritt oder nicht, das spielt keine Rolle. Erst wenn der Krieg beendet ist, kann man über die Zukunft von russischen Sportlern reden. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür.

Würden Sie gegen einen russischen Sportler denn antreten?

Nein. Ich möchte nicht gegen russische oder belarussiche Sportler antreten. Ich hoffe, dass ich mir da keine Gedanken drüber machen muss. Wir haben große Unterstützung vom europäischen Sport und ich hoffe, dass die Welt auf unserer Seite ist. Ich hoffe wirklich sehr darauf. Weil ich auf keinen Fall gegen Russen antreten will. Sport ist politisch. Für viele Länder ist es sehr wichtig, Medaillen zu gewinnen und die eigene Flagge zu repräsentieren. Diese Bühne darf man Russland nicht geben.

Ihr Mann, Schwimmer Mychajlo Romantschuk, hat in einem Interview erzählt, dass er vom Krieg träumt. Geht das Ihnen auch so?

Ich träume davon, dass mein Land gewinnt. Ich träume von einer besseren Zukunft. Natürlich musst du immer wieder an die schrecklichen Dinge denken. Aber du darfst nicht aufgeben. Es wird lange dauern, bis unser Land wieder aufgebaut sein wird. Dafür brauchen wir viel Hilfe. Die Hoffnung ist aber immer da. Der Krieg hat unser ganzes Land verändert. Jeden einzelnen, auch mich. Wir werden gemeinsam eine bessere Zukunft gestalten.

Wie viel bedeuten ukrainische Erfolge im Sport für das Land?

Wir ukrainische Sportler repräsentieren unser Land aktuell natürlich besonders. Wir tragen die Botschaft in die Welt hinaus, dass wir weiter da sind. Jeder von uns Sportlern gibt noch mal mehr. Wir wollen inspirieren. Wenn du im TV ukrainische Sportler siehst, die schnell laufen oder springen, denkst du dir: Es gibt auch noch schöne Dinge. Du hast wieder positive Emotionen. Ich will der Ukraine ein Lächeln schenken. Ich will dem ukrainischen Volk mit meinem Wettkampf gute Nachrichten schenken. Ich habe das ganze Jahr auf diesen Wettkampf hingearbeitet.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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