Hannes Wolf verfügt über eine bemerkenswerte Fähigkeit: Er versteht es, auf die Füße zu fallen. Das wurde zum ersten Mal 2018 deutlich. Ende Januar besagten Jahres, also gleich zu Beginn der Rückrunde, trennte sich der VfB Stuttgart von ihm – doch kurz darauf strahlte Hannes Wolf im Ballsaal eines Hotels nahe Frankfurt: Der DFB ehrte ihn nämlich als „Trainer des Jahres 2017“. Das überraschte: Kann 2017 wirklich so gut gewesen sein, wenn einer ein paar Tage danach von seinen Aufgaben entbunden wird? Hannes Wolf hat es danach, ebenfalls 2018, auch noch geschafft, einen Expertenjob bei der ARD zu bekommen – er hat im Ersten die WM in Russland erklärt. Wäre man böse, könnte man sagen: Als (vorweggenommener) Spezialist fürs Scheitern.
Dieser Hannes Wolf hält sich, obwohl er nur Amateurspieler war und als Trainer sich auch noch am HSV verhob, erstaunlich gut im Fußballgeschäft – was die Berufung auf eine der höheren Stellen im DFB beweist. Er ist zwar nicht der neue Oliver Bierhoff oder der nächste Rudi Völler, an den dann nach der EM der (nächste) Bundestrainer berichtet, doch immerhin hat er einen der drei Sportdirektorenposten bekommen. Der DFB gibt sich just jetzt eine neue Struktur – und Wolf ist mal wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Die entscheidendere Personalie über die Geschäftsführung muss der DFB erst noch treffen, und es wird mit der favorisierten Nadine Keßler wohl eine spektakuläre sein – also ist es nicht so, dass, was manche befürchtet hatten, Hannes Wolf an die Spitze der sportlichen Entscheidungskette rückt. Er wird in einem Bereich eingesetzt, in dem er tatsächlich seine Stärken hat: Aus seiner Zeit in Dortmund weiß er, wie man jungen Spielern das Rüstzeug vermittelt. Dass er zur Lösung der Zukunftsfragen ein Kompetenzteam beruft, wirkt sympathisch.
Aber Hannes Wolf wird es bei allem Elan schwer haben, seine Philosophie an der Basis durchzusetzen. Im Amateur- und Jugendfußball ist es – wie in vielen Lebensbereichen – zu ideologischen Verhärtungen gekommen. Kleinfeldspiele, höhere Gewichtung des Erlebnisses zulasten des Ergebnisses – die DFB-Pläne stoßen auf Widerstand, mal aus fachlichen Erwägungen, mal, weil man sich von oben nichts vorschreiben lassen will. Es kann sein, dass Hannes Wolfs Offensive verpufft, weil Menschen so sind, wie sie sind. Aber bei ihm weiß man wenigstens: Er wird auf die Füße fallen.
Guenter.Klein@ovb.net