Es wird der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland, die soeben den Aufstieg des Frauenfußballs manifestiert hat, nicht gerecht, dass sie mit einem Vorfall männlicher Übergriffigkeit geendet hat und das Bild, wie der spanische Verbandspräsident Luis Rubales die Spielerin Jennifer Hermoso mehr als nur anerkennend herzt, das sein wird, das alle anderen vom Spielfeld überdauern wird. Die Szene eines aufgedrängten Kusses sollte nicht unaufbereitet bleiben, daher ist die mediale Nachbetrachtung unerlässlich. Allerdings kam es dann auch wie befürchtet: Es meldeten sich die „Habt euch doch nicht so“ und „Das sind halt die Emotionen“-Stimmen. Und es zeigt sich: Fußball ist immer noch ein Männerbund. Und der regiert auch hinein in die Welt des Frauenfußballs.
Gerade die Argumentation des ranghohen Funktionärs Karl-Heinz Rummenigge ist eine bittere Enttäuschung, denn sein Verein, der FC Bayern, ist einer der gesellschaftlich aufgeschlossenen und hat in vielen Diskussionen Sensibilität im Umgang mit den Schwächeren nachgewiesen. Und schwächer ist im Fall Hermoso / Rubales die vor der Weltöffentlichkeit von einem mit Macht ausgestatteten Vorgesetzten überrumpelte Frau. Wenn sie die Situation, die durch das Heranziehen ihres Kopfes und den Kuss auf den Mund entstanden ist, als unangenehm empfindet, dann ist das die einzige zulässige Sichtweise in dieser Causa – und nicht die desjenigen, von dem die Aktivität ausgegangen ist. Auch nicht die seiner verständigen Buddies, weil man sich ja kennt und schon manchen Herrenwitz geteilt haben mag.
Wer hier eine Sichtweise vertritt wie Rummenigge, der durch seine Mitgliedschaft in der Taskforce übrigens auch eine Stimme des Deutschen Fußball-Bundes ist, muss das ausgeblendet haben, was sich im Sport über Jahrzehnte an Übergriffigkeiten ereignet hat. Und es sind eben nicht nur die versuchten Grabschereien des damals schon greisen FIFA-Präsidenten Sepp Blatter vor einigen Jahren gegenüber der amerikanischen Torhüterin Hope Solo, sondern wir kennen massive Fälle fortgesetzter sexueller Ausbeutung aus dem US-Turnen, durch kanadische Junioren (!)-Eishockeyspieler, aus dem Handball, dem Wasserspringen, bei der Frauenfußball-WM wurde auch über Vorfälle rund um die Teams von Sambia und Haiti diskutiert. Es geht immer um das Ausnutzen von Machtpositionen, und das geschieht in der Regel von Mann zu Frau, bisweilen auch von Mann zu Mann, Frauen sind auch, aber selten auf der Täterseite zu finden. Und es ist nicht Ausdruck von Emotion und Freude, sondern eiskaltes Ausspielen der eigenen Privilegiertheit. Das Herunterreden von Übergriffigkeit weitet die Grenzen dessen, was ein Tabu sein sollte.
Der Sport muss dringend weiblicher werden – vor allem auf seiner Entscheiderebene.. Da ist er gegenüber der normalen Welt massiv im Rückstand.
Guenter.Klein@ovb.net