(Noch) nicht krass genug

von Redaktion

Gina Lückenkemper: Zu viele Wettbewerbe vor der WM?

Budapest – Diese verflixte 11,01. 100 Meter in elf Sekunden, auf diesem Niveau ist Gina Lückenkemper 2023 gelaufen. Eine Zeit, die für ihr erstes Finale bei einer Weltmeisterschaft gereicht hätte.

Am Ende stand eine 11,18 im Halbfinale, im Vorlauf eine 11,21. Die beiden langsamsten Zeiten des Jahres ausgerechnet beim Saisonhöhepunkt. Lückenkemper sprach von „Bockmist“, da sie ab der Hälfte der Strecke ihre Hüfte verloren habe: „Wenn dir die Hüfte nach hinten wegbricht, trifft man sich nicht unter dem Körperschwerpunkt und bremst zu früh.“

Der Start, sonst einer der Schwachpunkte der 26-Jährigen, war im Halbfinale gut. Danach zündete der Turbo aber nicht. „Ich bin nicht aktiv und aggressiv genug gewesen. Da habe ich mich gefühlt nur treiben lassen, ich habe nicht den Zug nach vorne bekommen.“ Sich treiben zu lassen bei einer Weltmeisterschaft im Schatten der Hochgeschwindigkeitsprinterinnen, das kann nicht gut gehen. Lückenkemper hatte im Vorfeld der WM versucht, sich nicht vom hohen Niveau und schnellen Zeiten en masse über die 100 m beeindrucken zu lassen. Klar, die anderen seien krasser geworden, sie selbst aber auch. Aber eben (noch) nicht krass genug.

In der Mixed Zone sagte, dass sie das Rennen schon schon wieder abgehakt habe, der Blick müsse sich nach vorne richten. Nach Freitag, da startet Lückenkemper in einer ersatzgeschwächten 4 x 100 m-Staffel, die aber „richtig viel Bock“ habe. Ein „Jetzt erst recht“ gab es von der Teamkapitänin der deutschen Leichtathleten, „am Freitag wird wieder richtig angegriffen.“ Bis dahin, da ist sie zuversichtlich, sollen auch die Wehwehchen an ihrem Körper verschwinden.

Auch wenn sich das Problem der Beschwerden im Rücken im Zusammenspiel mit der „hervorragenden medizinischen Abteilung“ wohl lösen lässt, das große Fragezeichen bleibt. Warum konnte Lückenkemper, die nach eigenen Aussagen so konstant und gut wie nie zuvor durch die Vorbereitung gekommen ist, im entscheidenden Moment nicht abliefern?

Auffällig oft sprach die Sprinterin davon, wie „irre lang“ die Athleten in Budapest in der Startposition verweilen müssen. Das würde man auch an der Summe der ganzen Fehlstarts sehen. „Die Position im Startblock ist alles andere als bequem. Wir stehen da völlig unter Strom. Man ist nur drauf getrimmt, Zack, raus, in die Freiheit entlassen zu werden.“

Zudem sprach Lückenkemper wiederholt von einer „extrem langen Saison.“ Im Februar mit der Hallensaison gestartet, lief sie jeden Monat Wettbewerbe. Zu viele? „Das zollt irgendwann seinen Tribut. Wir müssen nächstes Jahr gucken, dass wir das ein bisschen drosseln, ein bisschen weniger machen.“ Das wolle sie gemeinsam mit Trainer Lance Brauman besprechen, schließlich seien alle Rennen in diesem Jahr „qualitativ hochwertig gewesen, da war nicht ein schlechtes Rennen dabei.“ Und dann kam der WM-Vorlauf in Budapest. NICO-MARIUS SCHMITZ

„Wir müssen das drosseln“

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