Zandvoort – Das Positive vorneweg: Der Emmericher Nico Hülkenberg (35) gehört seit mehr als zehn Jahren zum festen Inventar der Formel 1. Selbst in den drei Saisons ohne Stammcockpit war er als „Feuerwehrmann“ stets in aller Munde. 193 Rennen hat er bereits unter die Räder genommen. Noch in dieser Saison wird er die 200 voll machen.
Doch wie jede Medaille hat auch diese zwei Seiten: Die vielen Einsätze bringen auch eine negative Statistik mit sich, mit der der mental robuste Deutsche klarkommen muss und auch klarkommt. Denn der Haas-Pilot hält damit auch einen Rekord, auf den er nicht so stolz ist. Bei seinen 193 GP-Starts stand er noch kein einziges Mal auf dem Podium. So viele Rennen ohne Treppchen hat kein anderer Pilot absolviert. Schlimmer noch: Sogar Fahrer, denen weit weniger Talent zugeschrieben wird als dem Deutschen, durften schon mit Schampus spritzen. Sogar Pastor Maldonado, über dessen Unfälle sich die Formel-1-Gemeinde einst lustig gemacht hat, hat einen Sieg auf seinem Konto.
„Wenn man darüber nachdenkt, ist das natürlich ein bisschen frustrierend“, sagt der fließend niederländisch sprechende Deutsche vor dem Grand Prix in den Niederlanden in Zandvoort am Sonntag. Dazu muss man wissen: Der Holland-GP, eigentlich das orange Festival von Red-Bull-Superstar Max Verstappen, ist für den Deutschen auch eine Art Heimrennen. „Ich habe einen großen Bezug zu Holland,“ erklärt Hülkenberg, „mein Heimatort ist nicht weit weg von den Niederlanden, ich verbrachte viel Zeit in meiner Kindheit und Jugend dort, lernte deshalb auch die Sprache.“ Zu seinem traurigen Rekord meint der Deutsche nur: „Jeder Rennfahrer, damals wie heute, will idealerweise gewinnen. Aber gleichzeitig hatte ich auch nie das Auto. Ich hatte gute Autos und auch Möglichkeiten, ein Podium zu liefern, aber aus verschiedenen Gründen hat es nie geklappt. Es hat nie geklickt.“
Dabei wäre es mindestens einmal fast so weit gewesen. In Brasilien 2012 duellierte er sich mit Lewis Hamilton um den Sieg – dann kollidierten beide. Das Aus in aussichtsreicher Position.
Dennoch zieht Hülkenberg insgesamt eine positive Bilanz seiner Formel-1-Karriere. Den unrühmlichen Rekord nimmt er dabei als Beweis für Konstanz. „Ich denke, ich hätte es nicht geschafft, auf 200 Grands Prix in der Formel 1 zu kommen, wenn ich so schlecht wäre“, konstatiert er. „Es muss also irgendwo auch was Gutes darin stecken.“
Zweifelsohne gilt der Rheinländer als einer der besten Fahrer der letzten zehn Jahre. In seiner Debütsaison 2010 raste er im verregneten Qualifying des GP Brasilien auf die Pole. Bei Sauber fuhr er sich sogar ins Visier von Ferrari, die 2014 allerdings Kimi Räikkönen den Zuschlag gaben. Bei Renault war Hülkenberg drei Jahre Werksfahrer, ehe er Ende 2019 in die vorläufige Stammfahrer-Rente geschickt wurde. 2023 ersetzte er Mick Schuma-cher bei Haas und dürfte wohl auch 2024 an Bord bleiben. Allerdings: Im vermeintlich schlechtesten Auto des Feldes wird wohl auch weiterhin kein Podium möglich sein. Hülkenberg lässt sich dadurch nicht unterkriegen. „Ich arbeite weiter hart, ein Ende meiner Karriere ist nicht in Sicht. Und wer weiß: Vielleicht ergibt sich in Zukunft noch eine Möglichkeit auf ein Podium oder sogar mehr. Den Glauben darf man nie verlieren.“ RALF BACH