Alica Schmidt ist ein Gesicht der Leichtathletik, und das weltweit. Über vier Millionen Menschen folgen der 24-Jährigen auf Instagram. Da können auch internationale Topstars wie Stabhochspringer Mondo Duplantis (490 000) oder 100-Meter-Champion Noah Lyles (430 000) nicht mithalten. Ihre Popularität will Schmidt, die in Budapest mit der 4×400-Meter-Mixed-Staffel im Finale stand, nutzen, um die deutsche Leichtathletik populärer zu machen. Im Teamhotel sprach die gebürtige Wormserin mit unserer Zeitung über Social Media als Bühne, Inspiration für junge Athleten und darüber welche Chance Netflix bietet.
Alica Schmidt, mit der Mixed-Staffel sind Sie ins Finale gelaufen, Rang sieben bei einer Weltmeisterschaft, Glückwunsch! Was war das für ein Erlebnis?
Das war so ein einmaliges Erlebnis und Gefühl. Das war etwas ganz Besonderes. Im Stadion hier ist eine super Stimmung, beim Vorlauf hast du schon gemerkt, dass es unfassbar laut wird. Ich musste mich konzentrieren, dass ich den Start mitbekomme (lacht). Ins Finale sind wir dann mit vollem Mut eingestiegen und haben alles gegeben.
Das ganze harte Training, all das, was ein Athlet, in seine Karriere investiert, sieht man oft von außen nicht. Sind das hier in Budapest dann die Momente, wo man sagt: Genau dafür mache ich das alles.
Es ist witzig, weil ich genau das zu meinen Teamkollegen gesagt habe, als wir vor dem Finale im Call Room saßen. Dass man sich das noch mal vor Augen hält. Weil oft alles so schnell vorbei geht und man das Erreichte gar nicht richtig realisiert. Mein Papa hat mir mal als Tipp gegeben, dass ich genau in solchen Momenten daran denken soll, wo ich gerade bin und was ich dafür getan habe. Es ist schön, wenn man sieht, dass sich die ganze harte Arbeit auszahlt. Das ist im Sport nicht immer so. Es gibt viele Jahren, in denen man alles gibt, aber es nicht aufgeht.
Nach Eugene hat die deutsche Leichtathletik viel Kritik abbekommen. Die EM in München hat dann für Euphorie gesorgt. Auf den Rängen – und auch im deutschen Team?
Diese Stimmung ist das A und O. Das hat man jetzt direkt gemerkt – der Unterschied zwischen Eugene und München war wie Tag und Nacht. Man versucht natürlich, die Kritik nicht zu sehr an sich ranzulassen, aber es spricht sich immer rum und man kriegt es mit. Das ist eine schwierige Situation, weil dann immer mehr Druck auf den einzelnen Athleten ausgeübt wird. In München war von Anfang an eine super Stimmung. Wir wussten, das ganze Land steht hinter uns, das Stadion ist auf unserer Seite. Das hat beflügelt. Jeder von uns hat es unheimlich genossen, in diesem Stadion zu sein. Es war unfassbar, wie laut es war, wenn ein deutscher Athlet auf der Bahn war. Das habe ich noch nicht erlebt, ich hatte Gänsehaut und denke immer noch gerne daran zurück.
Sie haben eine riesige Bühne mit vier Millionen Menschen, die Ihnen auf Instagram folgen. Vier Millionen, ist das eine Zahl, die Sie noch erstaunt?
Ich realisiere gar nicht, wie viele Menschen das tatsächlich sind. Ich bin aber unfassbar dankbar dafür, wie viele Leute Bock darauf haben, mir zu folgen – und meinem Sport zu folgen. Das ist für mich klar der Fokus. Ich möchte die Leichtathletik gerne mehr in den Mittelpunkt rücken, mehr Bewusstsein für unseren Sport schaffen. Ich möchte einen Teil dazu beitragen, dass die Leichtathletik, vor allem auch in Deutschland, populärer wird. Die Leichtathletik ist so vielseitig wie kaum eine andere Sportart.
Auf den Rängen sieht man oft „Alica Schmidt“-Plakate, die Fans stehen Schlange für Selfies mit Ihnen. Macht Sie das stolz?
Es freut mich immer, wenn ich merke, dass die Leute bei einem mitfiebern. Dann kann man ein Vorbild und eine Inspiration für junge Athleten sein. Das hat mir damals so ein bisschen gefehlt. Ich glaube, gerade der Frauensport ist noch viel zu wenig vertreten. In Budapest habe ich eine Person getroffen, mit der ich seit Jahren in Kontakt bin, die seit so vielen Wettkämpfen immer dabei ist. Es ist schön zu sehen, wer hinter dem anderen Account steckt.
Haben Sie für Ihre Social-Media-Kanäle eine Strategie?
Nein, das funktioniert auch nicht. Der Sport steht klar im Fokus, da habe ich keine Zeit für eine Social-Media-Strategie (lacht). Mir macht es einfach unheimlich viel Spaß, die Leute mitzunehmen. Für mich ist das auch wie ein kleines Tagebuch. In Tokio habe ich Vlogs gemacht, das ist so eine schöne Erinnerung. Ich weiß genau, dass ich es mir in ein paar Jahren anschauen und denken werde: Wow, echt krass, was ich da alles erlebt habe. Ich mache Social Media nach Gefühl. Wenn ich Zeit habe und es gerade reinpasst, will ich gerne Bewusstsein dafür schaffen, wie der Alltag von einem Leistungssportler eigentlich aussieht.
Weltverbands-Präsident Sebastian Coe hat auch angekündigt, dass die Leichtathletik für den Konsumenten attraktiver gemacht werden muss. Eignet sich Social Media dafür?
Social Media ist da ein cooler Kanal für. Jeder Athlet kann seine Fans recht einfach ein bisschen mitnehmen, und so noch mehr Einblicke in den Sport gewähren. Je mehr Einblicke und je höher das Interesse an der Leichtathletik, desto eher kann Begeisterung beim Publikum entfacht werden. Aber das alleine reicht natürlich nicht. In den Medien muss mehr über uns berichtet werden, also auch abseits der Höhepunkte wie einer WM. Wir brauchen TV-Präsenz, damit die Leute überhaupt wissen, was machen die in der Leichtathletik da überhaupt?
Netflix plant eine Serie über die 100-Meter-Sprinter. Das könnte für mehr Popularität sorgen.
Das ist ein wahnsinnig wichtiger Schritt. Man hat es bei der Formel 1 oder bei der Tour de France gesehen, welcher Hype da entstehen kann. Ich habe das auch bei mir selbst verfolgt. Ich kannte keinen einzigen Sportler bei der Tour. Nachdem ich die Serie gesehen habe, habe ich die gesamte Tour mitverfolgt, ich wurde da richtig in den Bann gezogen (lacht).
Am Samstag dürfen Sie noch mal mit der 4 x 400-Meter-Staffel laufen. Wie groß ist die Vorfreude?
Es ist ja noch nicht final, wer laufen wird. Wenn ich die Chance bekomme, freue ich mich riesig. Am Samstagabend ist der Vorlauf, da sind so viele Höhepunkte mit dem Zehnkampffinale und Stabhochsprung mit Duplantis, das wird wieder eine unbeschreibliche Stimmung. Ich werde jeden Moment genießen und alles geben.
Interview: Nico-Marius Schmitz