Madrid – Erst verteidigte Luis Rubiales voller Überzeugung sein übergriffiges Verhalten, er attackierte seine Kritiker frontal für „falschen Feminismus“ – und schlüpfte dann auch noch in die Opferrolle. „Ich werde nicht zurücktreten“, brüllte der spanische Verbandschef in einer bizarren Wutrede gleich fünfmal in Richtung all jener, die nach dem Kuss-Skandal beim WM-Finale seinen Rücktritt gefordert hatten.
Das wird Folgen haben. Am Freitag kündigten die 23 Weltmeisterinnen an, unter der aktuellen Verbandsspitze nicht mehr für ihr Land anzutreten. „Nach allem, was bei der Medaillenvergabe der Frauen-WM passiert ist, werden alle Spielerinnen, die diesen Text unterzeichnet haben, eine nächste Einberufung nicht ehren, wenn die derzeitige Führung beibehalten wird“, schrieben die Weltmeisterinnen am Freitag in einer Erklärung, die von der Spielerinnengewerkschaft Futpro verbreitet wurde. Sie stellten sich damit geschlossen hinter Jennifer Hermoso. Insgesamt unterzeichneten 81 aktuelle und ehemalige spanische Spielerinnen das Schreiben.
Rubiales aber gab sich kämpferisch. Der Druck, den Spielerinnen, Verbände und selbst die höchsten spanischen Regierungskreise auf ihn ausgeübt hatten, sei der Versuch einer „sozialen Hinrichtung“ gewesen. Bei der außerordentlichen Generalversammlung des spanischen Fußballverbandes RFEF in Madrid gab es im Saal Applaus und Standing Ovations, Rubiales warf Kusshände ins Publikum – und relativierte sein Verhalten. Es sei „ein spontaner, gegenseitiger und einvernehmlicher Kuss“ gewesen, sagte der Verbandschef mit Blick auf die Szene mit Jennifer Hermoso (33), die am Vortag Konsequenzen gegen Rubiales gefordert hatte. Hermoso widersprach der Einvernehmlichkeit entschieden.
Die empörten Reaktionen folgten prompt. Yolanda Diaz, Spaniens zweite Vize-Ministerpräsidentin, forderte, die Regierung müsse dringend handeln: „Die Straffreiheit für Macho-Aktionen ist vorbei“, schrieb sie bei X: „Rubiales darf nicht weiter im Amt bleiben.“ Ligaboss Javier Tebas meinte: „Die Liste der Frauen und Männer, die in den letzten Jahren von Luis Rubiales beleidigt wurden, ist zu lang, das muss aufhören.“
Der wiederum schimpfte über „falschen Feminismus“. Es gebe Personen, die „eine Hinrichtung“ vorbereiten, „um sich eine Medaille umzuhängen und zu sagen, dass sie Fortschritte machen“, sagte er – und fragte provokant: „Um Himmels willen, was werden die Frauen denken, die wirklich sexuell missbraucht wurden?“
Seit Donnerstag beschäftigt sich auch die FIFA mit dem Fall. Der Weltverband eröffnete ein Disziplinarverfahren. Rubiales sitzt zudem im UEFA-Exekutivkomitee, die Europäische Fußball-Union schweigt allerdings bislang.
Die Kuss-Szene war nicht der einzige belastende Vorfall. Auf der Ehrentribüne griff Rubiales sich enthemmt jubelnd in den Schritt. sid