Schleier über dem Auftaktsieg

von Redaktion

81:63 – Basketballer deklassieren Japan, müssen aber um NBA-Star Franz Wagner bangen

VON ANDREAS MAYR

Okinawa – Der Erste, der die Arena in Okinawa verließ, war Franz Wagner. Und das hatte nichts Gutes zu bedeuten. Wie schlimm es um sein Sprunggelenk am linken Fuß bestellt ist, vermochte am Freitagabend noch keiner abzuschätzen. Bundestrainer Gordon Herbert kündigte einen Termin im Kernspin an, um Näheres zu ergründen. Kollege Johannes Voigtmann fasste die Gefühlslage der deutschen Basketballer passend zusammen: „Ich hoffe nur, dass es bei Franz nicht so schlimm ist.“ Man ahnt: Es werden Stunden des Bangens für das Nationalteam. Denn am NBA-Profi – er feiert am Sonntag 22. Geburtstag – hängt ein beträchtlicher Teil der deutschen Medaillenhoffnung. Wagners erste Reaktion verhieß nichts Gutes. Wütend schlug er gegen einen Stuhl, während ihn der Teamphysio behandelte. Seine Verletzung im Schlussviertel legte einen grauen Schleier über den 81:63-Auftaktsieg gegen Gastgeber Japan. Eine sehr starke Halbzeit genügte für die ersten zwei Punkte bei der Weltmeisterschaft.

Wer sich am Tag vor dem Spiel mit Daniel Theis unterhalten hatte, erfuhr vom Strand, vom Meer und der Kraft dieser Orte. Die Bedingungen auf der Ferieninsel Okinawa – Spitzname „Mallorca der Japaner“ – halfen den deutschen Basketballern bestens, sich zu akklimatisieren, und wenn man ehrlich ist, halfen die japanischen Spieler gleich mit.

Ihnen fehlte es zunächst einmal an der Grundanforderung auf diesem Level: an Zentimetern und Kilos. Neben Yuki Kawamura – 1,69 Meter groß – wirkte selbst Dennis Schröder wie ein kleiner Riese. Dieses Plus an Masse übersetzten die Deutschen in der ersten Hälfte mühelos in Punkte. Daniel Theis, Franz und Moritz Wagner wuchteten schon in den ersten drei Minuten den Ball dreimal per Dunk in den Korb. Theis (13 Zähler) und Moritz Wagner (Topscorer mit 25 Punkten) sahen aus wie Schwergewichtsboxer, die außerhalb ihrer Gewichtsklasse antreten, so leicht kamen sie durch. Mal filigran, mal mit Kraft, und mal mit dem Wurf aus der Distanz. „Wir hatten richtig gute Präsenz unter dem Korb“, lobte der Bundestrainer. Der Vorsprung wuchs und wuchs, einmal sogar auf 29 Punkte in Viertel drei.

Am meisten profitierten die Deutschen in der Defensive von ihrer physischen Dominanz. Sobald das Sicherheitsnetz aufgespannt war, kamen die Gastgeber praktisch nicht mehr zum Korb. Japans Identität beschränkt sich aufs Dreierwerfen. So verdient sich ihr einziger Star, Yuta Watanabe von den Phoenix Suns, seine Millionen in der NBA. Ansonsten sind die Japaner ein limitiertes Basketballteam, weit weg vom internationalen Niveau. Sie punkteten bei Fehlern der Deutschen – und die häuften sich zum Ende. Ganz zur Freude des Publikums, das seine Spieler pausenlos und ausnahmslos positiv antrieb. „Wir haben fahrig gespielt“, sagt Johannes Voigtmann zum Bruch in Hälfte zwei. „Es war eine Quälerei“, ergänzt Bundestrainer Herbert. In dieser Phase verletzte sich auch noch Franz Wagner.

Wofür das Spiel nun gut oder schlecht war, wird sich am Sonntag (10.30 Uhr) zeigen gegen den Olympia-Dritten Australien. Voigtmann sprach ehrlich aus, dass man sportlich kaum etwas mitnehmen könne. Am ehesten noch Moritz Wagner und seine gute Form. Franz’ älterer Bruder war gegen Japan wie ein zusätzliches Spielzeug für Deutschlands Angriff, das bei der famosen Europameisterschaft voriges Jahr noch gefehlt hatte.

Gegen Australien könnte daraus ein wichtiges Werkzeug werden. Wagners Variabilität – seine Bewegungen unter dem Korb, aber auch seine Treffer aus der Distanz – verleiht der deutschen Offensive eine weitere Dimension. Abhängig davon, wie es seinem Bruder geht, wird seine Rolle nun noch größer.

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