Die Dominikanische Republik, Kuba, Botswana. Ja, auch die Britischen Jungferninseln. Alles Nationen, die nach neun Tagen Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Budapest vor Deutschland im Medaillenspiegel standen. Auch Speerwerfer Julian Weber konnte die Nullnummer nicht verhindern. Bei der Bilanz mussten die Macher des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) persönliche Bestleistungen als das neue Edelmetall verkaufen. Die WM in Eugene vergangenes Jahr (einmal Bronze, einmal Gold) galt schon als Debakel, was war dann Budapest? Von einem „Trauerspiel“ sprach Zehnkampf-Ikone Jürgen Hingsen (Olympia-Silber 1984).
Annett Stein, die Cheftrainerin des DLV, sah zur Hälfte einen „sehr, sehr guten“ Start, man sei „zufrieden“. Und ja, Sportler wie Tobias Potye oder auch Christopher Linke (beide auf Platz fünf gelandet) können mit ihren Platzierungen zufrieden sein. Top 5 in der Welt, das ist stark! Der DLV sollte die Leistungen von Budapest aber deutlich kritischer sehen. Die Weltspitze ist oft nicht nur entrückt, sie spielt in einer vollkommen anderen Liga. Bei der Show der großen Stars stand der DLV meist nur staunend als Zuschauer rum.
5000-Meter-Läufer Sam Parsons stand nach seinem Sturz völlig aufgelöst am ARD-Mikrofon, sagte, dass er nicht wisse, ob sich der ganze Aufwand noch lohne. Schließlich gebe es nicht viel Geld für das Laufen in Deutschland. Geher Linke, immerhin zweimal den deutschen Rekord in Budapest verbessert, sprach von „teils amateurhaften Bedingungen“, mit denen er arbeiten muss. Das Hitzetraining habe er vor der offenen Saunatür absolviert, von den letzten 18 Wochen nur 35 Tage zu Hause verbacht. Und das für 400 Euro von der Sporthilfe.
Leistung muss sich lohnen. Es gibt und gab zahlreiche Hoffnungsträger im Nachwuchsbereich. Der DLV muss geeignete Strukturen schaffen, damit der Übergang in den Erwachsenenbereich gelingt. Der gekürzte Etat für den Sport darf keine Ausrede sein. Länder mit deutlich geringerem Etat sind deutlich erfolgreicher. Bis 2028 will der DLV wieder eine Top-5-Nation sein. Sich einzugestehen, dass die Weltspitze mittlerweile meilenweit entfernt ist, ist da der erste wichtige Schritt.
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