Keine Medaillen, aber eine Fülle an Problemen

von Redaktion

DLV: Sportdirektor Bügner und Präsident Kessing schlagen Alarm und beklagen den Stellenwert des Sports

Budapest – 276 Millionen Euro, das soll der Etat des gesamten deutschen Leistungssports nach Kürzung der Bundesmittel sein. Der Sportetat einer einzigen Universität in Amerika, nämlich in Texas, wo Leo Neugebauer studiert, soll über 200 Millionen Dollar betragen. Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), nannte das Zahlenspiel als Beispiel, welchen Stellenwert der Sport in Deutschland hat.

Es würden einfach die Fürsprecher in Berlin fehlen, seit der Wiedervereinigung gehe es mit den Medaillen nur noch bergab. Und: „Der Tiefpunkt im deutschen Sport ist noch nicht erreicht.“ Man habe in den aktuellen Strukturen ein dickes Brett zu bohren, damit der Sport wieder den Stellenwert bekommt, den er verdient. Olympische Spiele in Deutschland könnten für dringend benötigen Aufschwung sorgen. „Der Sport muss insgesamt aufstehen und seine Stimme erheben.“

Am Sonntag erhob der 66-Jährige zunächst die Stimme gemeinsam mit DLV-Sportdirektor Jörg Bügner. Im Teamhotel versuchten die Funktionäre, Antworten auf diese ernüchternde Weltmeisterschaft in Budapest zu finden. Sechs Stunden vor dem Auftritt von Speerwerfer Julian Weber, „der uns vielleicht sogar noch erlöst“, sagte Bügner. Der 54-Jährige war nach der WM-Pleite in Eugene installiert worden, als erstes Puzzleteil der angestrebten Reform. Mit dem Ziel: Top-5-Nation bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles. „In vielen Disziplinen haben wir den Anschluss an die Weltspitze verloren“, sagte Bügner.

Man habe eine große Distanz zu überbrücken. Der Sportdirektor nannte für eine bessere Zukunft eine „einfache“ Formel: hochtalentierte Athleten, hochqualifizierte Trainer, optimale Rahmenbedingungen. Und räumte gleich ein, dass das Trainerdasein in Deutschland nicht immer von Spaß bestimmt wird: „Es gibt sehr viele Hindernisse. Man braucht schon sehr viel Leidenschaft und muss den Sport lieben.“ Bis zum nächsten Zyklus gehen zwanzig Trainer in den Ruhestand, der ganze DLV in einer Phase des Umbruchs. Man habe mit einer „Fülle von Problemen“ zu kämpfen. Bügner betonte immer wieder, dass Veränderungen in einem „hochkomplexen“ Verband, wie dem DLV, Zeit brauchen. Zukünftig wolle man die Athleten aber zielgenauer und professioneller unterstützen.

Eine WM ohne Medaille? Kessing spricht vom „Worst-Case-Szenario“. „Wir sind nicht hergekommen, um wieder mit leeren Händen hierzustehen. Es gibt über 40 Nationen, die eine Medaille haben, wir gehören nicht dazu.“ NICO-MARIUS SCHMITZ

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