München – Maurizio Jacobacci weiß, was die Stunde geschlagen hat. Durch seine Umstellung auf Geheimtraining betont der 1860-Coach die Wichtigkeit der Heimpartie gegen Aue (Samstag, 16.30 Uhr), die verhindern soll, dass schon nach fünf Spieltagen eine sportliche Krise ausgerufen wird. Parallel dazu schwelt bereits eine handfeste Krise an der Spitze des Vereins, allerdings etwas anders als gewohnt. Ausnahmsweise gibt es keinen Stunk zwischen den Gesellschaftern, sondern aufseiten der höchsten Vereinsrepräsentanten – zwischen Präsident Robert Reisinger und seinen Vizes Hans Sitzberger und Heinz Schmidt, von Reisinger noch vor Kurzem als „Herzkammer“ des e.V. bezeichnet.
Wo die drei Herzenslöwen seit dem Doppelabstieg 2017 auf einer Wellenlänge funkten, herrscht seit drei Monaten Eiszeit. Keine gemeinsamen Treffen mehr, frostige Kommunikation, sogar von „Mobbing“ ist die Rede. Auslöser des Zerwürfnisses: die gescheiterte Verpflichtung von Horst Heldt als Sportchef. Noch auf der Mitgliederversammlung am 9. Juli hatte Reisinger angekündigt, dass 1860 schon in Kürze einen „sportlichen Leiter von Format“ präsentieren werde. Offenbar ein Alleingang, denn speziell Sitzberger hatte mehr Sympathie für eine weniger prominente Lösung. Er fand es auch nicht schlimm, nach dem Aus von Günther Gorenzel erst mal ohne Sportchef weiterzumachen – was dummerweise der Meinung entsprach, die auch andere maßgebliche Herren bei 1860 teilten: Cheftrainer Jacobacci, die Investorenseite um Saki Stimoniaris und Marc-Nicolai Pfeifer, der verbliebene Geschäftsführer.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Reisinger das 90er-Jahre-Idol Heldt auch holen wollte, um den Einfluss des Mitgesellschafters auf Profibelange wieder etwas einzuschränken. Vielsagend, was er der SZ zum aktuellen Knatsch sagte: „Ich dementiere jedes Rücktrittsgerücht, aber wir müssen uns wieder darauf besinnen, was dieses Präsidium sechs Jahre lang stark gemacht hat.“ Dazu gehörte das Eintreten für einen „starken, eigenständigen e.V.“, wie Reisinger schon bei seinem Amtsantritt betonte.
Tatsächlich war es zuletzt aber so, dass der Oberlöwe isoliert wirkte. Während Sitzberger weiterhin jedes Spiel besucht und neuerdings unübersehbar die Nähe von Stimoniaris und Pfeifer sucht, macht sich der Präsident rar. Erst schob er berufliche Gründe vor, zuletzt einen Golfurlaub auf den Kanaren. In seiner Prioritätenliste rangiere 1860 auf einem nachgeordneten Rang, sagte er vor Wochen zu unserer Zeitung.
Das alles führt zur spannenden Frage, wie viel Zukunft dieses Präsidium noch hat. Der Verwaltungsrat, laut Satzung die höchste Kontrollinstanz, könnte bei einer Sitzung im September ein Machtwort sprechen. Wahlweise müsste eine Aussprache her. Sitzberger wäre dazu bereit. Reisinger (59) hingegen teilte via Facebook mit: „Ich breche Kontakte ab ohne zu zögern, ohne Erklärung und ohne Vorwarnung. Wenn ich bemerke, dass ich jemandem nicht vertrauen kann. Das Leben ist zu kurz und ich bin zu alt, um mich mit Menschen zu umgeben, die das Konzept der Loyalität nicht verstanden haben.“
Oder ist am Ende ein Kompromisskandidat die Lösung? Hartnäckig hält sich das Gerücht, Thomas Hitzlsperger stehe bereit, um das vakante Amt des Sportchefs zu übernehmen. Zuletzt hatte er sich beim Blitzturnier in Heimstetten ein Bild vom neuen Löwen-Kader gemacht. Jacobacci betonte kürzlich, er sei selbstredend dafür, dass ein neuer Sportchef kommt. Mit einem Sieg am Samstag gegen Aue könnte er die Weichen stellen, dass 1860 zumindest sportlich eine attraktive Adresse bleibt.