Der übersinnliche Brüder-Bund

von Redaktion

„Alley-oop“: Warum Daniel Theis und Dennis Schröder so wunderbar zusammenpassen

VON ANDREAS MAYR

Okinawa – Natürlich landet man irgendwann bei Liviu Câlin. Er hat das Traum-Tandem des deutschen Basketballs entdeckt und gefördert. Damals in Braunschweig. Schon da spürte der Trainer diese Verbindung zwischen Dennis Schröder (29), dem kleinen Flitzer, und Daniel Theis (31), dem großen Brecher – und er konnte sie nicht anders erklären als mit „Telepathie“. So ist es überliefert im Buch „Dunke schön“, eine Hommage an den Braunschweiger Basketball. An die erste Begegnung, sagt Daniel Theis, erinnere er sich nicht mehr. Sie muss 13 Jahre her sein. Doch von diesem übersinnlichen Bund kann er berichten. „Wenn man sich so lange kennt, wird das blindes Verständnis.“

Die beiden sind weit gekommen in ihrem Sportlerleben. Von den unbeschwerten Jugendtagen in Braunschweig in die NBA und nun zu dieser Weltmeisterschaft in Japan. Jeder auf seinem eigenen Pfad. Schröder und Theis verkörpern eine ganze Generation deutscher Basketballer, die erste erfolgreiche nach Nowitzki, der man doch tatsächlich eine WM-Medaille zutraut. Sie sind auch die Stützpfeiler dieser Mannschaft und ihrer Mission. Obwohl sie doch an den unterschiedlichen Polen der Basketballwelt zu verorten sind.

Dennis Schröder lebt im Rampenlicht, er liebt es. Basketballer wie ihn bestaunen die Fans. Auf dem Feld vollbringt er Dinge, zu denen Normalsterbliche nicht imstande sind. Einer wie er gehört in die NBA, wo es nur so wimmelt von flamboyanten Stars. Dennis Schröder spielt mit Feuer. Er ist nicht einzufangen. Früher mag das alles einen Tick zu extravagant, zu kapriziös, zu laut gewesen sein. Auf wie neben dem Platz. Aber das war Dennis. Die Deutschen waren diese Phonstärke nicht gewohnt nach Nowitzki, dem sanften Riesen. Sie fremdelten mit dem Entertainer aus Braunschweig, den viele alleine für die WM-Schmach von 2019 verantwortlich machen wollten. Was Unsinn war, aber das merkten sie auch erst in der Rückschau. Schröder ist der Star dieses Teams, menschlich gereift, sportlich sowieso, ein Kapitän, der auch mit Lautstärke führt.

Zu Daniel Theis fragt man am besten seinen Trainer. „Er ist der beste Spieler, über den niemand spricht“, sagt Gordon Herbert. Theis ist der Typ Facharbeiter. Er macht, was verlangt wird, und das sind in seinem Fall basketballerisch profane Dinge wie Verteidigen, Rebounden, Korbleger treffen. Diese Aufgaben erledigt er mit einer Exzellenz, wie sie bei dieser WM kaum zu finden ist. Nur landet der Center, 2,05 Meter groß, damit in keinem hübsch aufbereiteten Videoclip. „Er ist defensiv unser wichtigster Mann. Er macht alles für uns. Er ist überall“, sagt Kollege Dennis Schröder. In jeder Partie musste Theis bislang die Besten der Gegner verteidigen. Gegen Japan verfolgte er Scharfschütze Yuta Watanabe, gegen Australien stoppte er Aufbauspieler Patty Mills im entscheidenden Angriff, gegen Finnland hielt er Lauri Markanen bei lächerlichen zwölf Punkten. „Mir macht das Spaß. Es war alles dabei“, sagt Theis. In der Zwischenrunde an diesem Freitag (10.30 Uhr) wartet als nächstes Goga Bitadze – ein Gigant aus Georgien und Theis’ NBA-Teamkollege in Indiana.

Schröder und Theis ergänzen sich also perfekt. Mehr noch: Ihr Zusammenspiel bedingt einander. Mit seinen Blöcken räumt Theis den Weg frei für Schröder. Sobald sich die Verteidiger dann auf den Kleinen einschießen, lupft er den Ball hoch zum Großen, der ihn mühelos per Dunk verwandelt. Alley-oop nennen die Basketballer dieses artistische Zusammenspiel, den Ausdruck ihrer Chemie. „Wenn man alle Alley-oops unserer Karriere aufzählen würde, wären das recht viele“, sagt Theis. Bereits zu Braunschweiger Zeiten staunte Basketball-Deutschland über ihr Spektakel. Dort liegen die Wurzeln ihrer Zweisamkeit, ihres unsichtbaren Bandes. „Auf dem Feld ist er wie mein kleiner großer Bruder“, scherzt Schröder. Ihre Karrieren haben sich nach den Anfängen in Braunschweig entzweit. Ihre Bindung ist geblieben. Daniel Theis sagt: „Wir brauchen keine Trainings, wir kommen im Sommer zusammen, und es ist wieder da.“

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