München – Das ist Stoff für das gerade sehr angesagte Format der Sportdokumentation. Ach was: Eigentlich könnte man daraus einen Spielfilm machen.
Es war einmal die Jugendmannschaft des VfL Neckar-au nahe Mannheim, die alles in der Gegend aufmischte. Zum Ende der B-Jugend wechselten dann sieben der Neckarauer Talente zur TSG Hoffenheim, wo man sich gerade daran machte, ein Bundesligist zu werden. Nicht alle sieben Neckarauer Jungs realisierten den Traum von der Profikarriere. Manuel Gulde schaffte es, er spielt nun beim SC Freiburg. Marco Terrazzino ist in Polen unterwegs – und einer, als man den Glauben an diesen Jahrgang 1991 schon verloren hat, wird wohl noch Nationalspieler werden: Pascal Groß steht mit 32 erstmals im Kader der Nationalmannschaft, den Bundestrainer Hansi Flick für die Länderspiele gegen Japan am Samstag, 9. September, in Wolfsburg und Frankreich am 12. September in Dortmund berufen hat.
Pascal Groß? Wer ihn in den zwei Jahren des FC Ingolstadt in der Bundesliga hat spielen sehen (2015 bis 17), erinnert sich an einen filigranen Fußballer, der herausstach aus einem Keller-Team, ein Typ Spielmacher, selten geworden. Nach dem Abstieg von Ingolstadt wechselte er zu Brighton & Hove Albion, damals aufgestiegen in die englische Premier League. Aktuell, nach drei Spieltagen, ist Brighton Sechster – etwa vor Manchester United, Chelsea, Newcastle. Und das hat auch mit dem Deutschen zu tun, der in seine siebte Saison gegangen ist.
Eigentlich hatte Flick die Zeit der Experimente nach fast durch die Bank misslungenen Länderspielen 2023 für beendet erklärt – und wagt nun doch eines. Als wolle er zeigen, dass er Herr des Verfahrens ist und sich nicht von der öffentlichen Meinung lenken lässt.
„Die Mannschaft ist der Star, nicht der Einzelne“ und „Wer gibt der Mannschaft Energie? Das schauen wir uns jetzt an“, erläutert er seine Motive, die ihn zu dem 24er-Kader gebracht haben.
Namen, die nun wieder auftauchen: Niklas Süle, dem Flick kürzlich noch vorhielt, nicht alles aus sich herauszuholen und der Bequemlichkeit im Leben zu viel Raum zu geben. Jonathan Tah aus Leverkusen, dem Team, von dem alle schwärmen. Gelingt im achten Jahr bei der Nationalmannschaft Tah doch noch der Durchbruch?
Bei anderen Spielern, die regelmäßig dabei waren, scheint der Bundestrainer zu zweifeln. Der Verzicht auf Leon Goretzka ist eine Ansage – der Bayern-Spieler äußerte sich auf Instagram als „extrem enttäuscht. Gerade die letzten Wochen haben sich wieder richtig gut angefühlt.“ Timo Werner wurde gestrichen, der Stürmer, den Flick bei der WM aufgrund einer Verletzung schmerzlich vermisste und über den er stets schützend die Hand hielt. Auch Thilo Kehrer war einer seiner Lieblingsschüler und ist nun nicht dabei. Zudem fanden der ewige wie brave Mathias Ginter (Freiburg) und der zuletzt auf der rechten Außenposition getestete Marius Wolf (Dortmund) keinen Platz im Aufgebot für die Spiele, die für den Bundestrainer trotz aller Beschwichtigungen von Sportdirektor Rudi Völler existenziellen Charakter haben dürften.
Mit der Nominierung von Pascal Groß setzt Flick aber einen Reizpunkt, der das erlahmte Interesse am DFB-Team heben könnte. Ein „Hidden Champion“? „Wir freuen uns auf ihn. Er ist ein guter Typ und spielt intelligenten Fußball“, sagt Flick über Groß, einen der sieben Neckarauer, der jetzt doch noch ganz oben ankommt.