Okinawa – Als sich ihr Schicksal fügte, saßen die deutschen Basketballer schon im Hotel. Genauer in der Lobby. Sie sahen, wie Slowenien die Australier besiegte – und sich selbst sowie die Deutschen als ungeschlagene Teams ins WM-Viertelfinale beförderte. Außerdem mussten sich die Deutschen von ihrem Sieg über Georgien erholen. Der war zwar mit 100:73 sehr hoch ausgefallen, hatte aber doch mehr Ressourcen wie Nerven verschlungen als erwartet. Einmal war da der Schreckmoment zum Ende des dritten Viertels, als Dennis Schröder die Halle mit einem Betreuer verließ. Den Rücken hatte es erwischt, ein unglücklicher Schlag im Zweikampf. „Ich hab noch kein Update“, sagte Bundestrainer Gordon Herbert später. Doch: Allzu schlimm soll’s ihm aber nach Informationen unserer Zeitung nicht gehen.
Dazu muss man sich vergegenwärtigen: Die Weltmeisterschaft in Japan biegt gerade auf einen neuen Abschnitt ein. Körperliche Gebrechen entsprechen dem Normalzustand – und die Konkurrenz nimmt zu. Man bekam eine Idee davon am Freitag gegen Georgien, Zweiter der Parallelgruppe. Keine Mannschaft von Weltklasse, aber doch stellenweise besetzt mit guten Leuten aus der NBA und den europäischen Spitzenligen. Sie deckten ganz gut auf, dass diese Deutschen doch verwundbar sind. Eine Halbzeit lang piesackten sie das DBB-Team mit den Mitteln ihrer Kunst. Ihre knorrigen, schweren Jungs walzten zum Korb. Deutschland versank in einer Melange aus Individualismus, Hektik und Ungeduld. Am Schluss schoss sich die Mannschaft auch noch auf die Schiedsrichter ein, die Johannes Thiemann und Daniel Theis für angebliche Schauspieleinlagen bestraften. So summierte sich alles zur „schlechtesten Halbzeit im Turnier“, wie Maodo Lo verlauten ließ.
Eine Halbzeit, aus der man einiges lernen dürfte. Sollte man zumindest. Am Sonntag gegen Slowenien (14.10 Uhr) „wissen wir, dass wir uns das nicht noch einmal erlauben dürfen“, gab Andreas Obst zu Protokoll. 20 Minuten Tiefschlaf bedeuten den sicheren Tod gegen Weltstar Luka Doncic. Wie praktisch, dass die Georgier – erstmals bei einer WM am Start – dann doch nur einen hartnäckigen Sparringpartner darstellten.
Dass dem so war, hatte auch viel mit Andreas Obst zu tun. Der Münchner löste die Blockade seines Teams. Er traf zwei Dreier hinter einander – und gab die Linie des restlichen Spiels vor. 20 Distanztreffer verzeichneten die Deutschen bei einer sagenhaften Quote von 57 Prozent. Das war besser als ihre Bilanz von der Freiwurflinie mit 56 Prozent. 20 Volltreffer bedeuten natürlich deutschen Rekord. In der Geschichte der Weltmeisterschaften haben nur die Kanadier 2019 (23 Dreier gegen Jordanien) einmal besser gezielt. „Wenn’s mal läuft, dann läuft’s. Wir hatten ein gutes Händchen“, sagt Chef-Schütze Obst (12 Punkte).
Mit ihrem Dreierhagel brachen sie den Willen der Georgier, wie Trainer Ilias Zouros zugab: „Ich weiß nicht, was da passiert ist. Sie haben so viele Dreier getroffen. Einfach jeder von ihnen kann werfen.“ Wobei man durchaus unterscheiden konnte: Die zwei prägenden Figuren der fabelhaften zweiten Hälfte kommen aus Berlin. Moritz Wagner rutschte in die Rolle des Spielmachers, gerade in den Minuten ohne Schröder. Mit seiner Beweglichkeit lockte er die starren Riesen vom Korb weg, schuf Räume für die Kollegen. Allen voran Maodo Lo, den künftigen Mailänder, der alle seine sechs Dreierversuche im Korb unterbrachte und mit 18 Zählern Top-Scorer war. „Wir sind ziemlich gut, wenn wir den Ball teilen“, lobt Wagner – und gab damit das Motto für Sonntag aus. Nur mit einer starken Einheit kann Deutschland diesen Doncic einfangen. Platz eins wäre essenziell für die Mission Medaille. Spätabends aus dem Hotel meldete sich nochmals der Bundestrainer und ließ wissen: „Wir sind nun zu 60 Prozent auf dem Berg.“