Didi Hamann neigt dazu, die Dinge in großer Dimension zu interpretieren. Die Stichworte, die in seiner Analyse der Großwetterlage über der Säbener Straße vom Samstag hängen geblieben sind, lauten: „Machtvakuum“ und „vergiftete Atmosphäre“. Das heißt übersetzt: Für ihn passt aktuell trotz des großen Umbruchs auf allen Ebenen gar nichts zam beim FC Bayern. Ist das übertrieben?
Man kann, darf, ja, muss diese Debatte führen – aber man sollte sich doch ein wenig vorsichtiger nähern. Das Ergebnis – eine mit Highlights gespickte, in der Summe aber verkorkste Transferperiode – ist jedem bekannt, die Schuldfrage allerdings nicht eindeutig zu klären. Da wäre auf der einen Seite Thomas Tuchel, der seit Monaten klare Forderungen für seinen Kader stellt (und einen Sechser sogar dringender haben wollte als Harry Kane). Und auf der anderen Seite sechs weitere Männer. All ihnen mangelt es nicht an Expertise – aber jeder hat eine eigene Meinung. Das Schlamassel, in dem sich der Verein nun mit Blick auf den dünn besetzten Kader befindet, ist somit ein Gemeinschaftsprodukt, abzuheften unter dem Sprichwort: „Zu viele Köche verderben den Brei.“ Es ist nun an ihnen allen, ihn auch gemeinsam auszulöffeln – also: Konsequenzen zu ziehen.
Hinterfragen darf sich dabei jeder. Tuchel, der davon absehen sollte, das wochenlang aufgebaute Alibi im Fall von Verletzungen über zu strapazieren. Aber auch die Bosse, die von ihrem Coach mit Blick auf seine Auswahl keine Wunderdinge erwarten können. Freilich, es gibt Fußball-Märchen wie den kometenhaften Aufstieg, den Alphonso Davies als Notnagel für den einst verletzten David Alaba hingelegt hat. Sie sind aber eher die Ausnahme als die Regel – und zudem schwer zu vereinen mit dem Anspruch, der für diese Nach-Krisen-Saison eigentlich formuliert wurde: um drei Titel mitzuspielen.
Die Transfer-Taskforce wurde aus der Not geboren, sie ist aber kein Modell für die Zukunft. Dass in Christoph Freund schon ein Mann parat steht, der im Winter die Strippen zieht, ist da nur gut. Nur: Giftige Atmosphäre ist das letzte, was er brauchen kann, wenn er die gemachten Fehler schnell ausmerzen soll.
Hanna.Raif@ovb.net