Von Agadir bis Paris

von Redaktion

Tuchels banger Blick um die Welt – Verletzungen verkraftet der dünne Bayern-Kader nicht

VON HANNA RAIF UND MANUEL BONKE

München – Die Trainingsgruppe des FC Bayern ist dieser Tage nicht größer als in anderen Abstellungsperioden, aber sie ist doch: anders. Der von Hansi Flick nicht nominierte Leon Goretzka etwa ist ein ungewöhnlicher Teilnehmer, auch Alphonso Davies, dessen Kanadier diesmal spielfrei haben, ist daheim geblieben. Dazu noch Sven Ulreich und Manuel Neuer, Bouna Sarr und die im Aufbautraining befindlichen Jamal Musiala und Raphael Guerreiro – das war’s. Der Rest des ohnehin dünnen Kaders, mit dem der Rekordmeister wider Willen aus der Transferperiode gekommen ist, befindet sich auf Reisen – 16 Mann in elf Nationalmannschaften. Der bange Blick von Thomas Tuchel geht bis zum Topspiel in eineinhalb Wochen gegen Bayer Leverkusen daher um die halbe Welt. Um genau zu sein: Von Agadir bis Paris.

Dass ihm unwohl ist, hatte der Bayern-Coach schon unmittelbar nach dem 2:1 in Mönchengladbach zugegeben. „Jetzt ist Länderspielpause, da kann – unverschuldet – eine kleine Verletzung passieren“, hatte der 50-Jährige gesagt; sein Blick war starr, seine Mundwinkel nach unten gezogen. Und er dachte auch schon einen Schritt weiter. Die „zweite Ebene“, wie Tuchel sie nennt, wird ihn beschäftigen, wenn seine Spieler ab Mitte kommender Woche wieder an der Säbener Straße eintrudeln. Die Zeit bis zum Duell mit dem Tabellenführer ist knapp, die Ansetzung am Freitagabend bei beiden Clubs auf Unverständnis gestoßen. Dazu kommt, dass Tuchels Handlungsspielraum bei den Fragen „Muss einer spielen, obwohl er eine Pause bräuchte? Wird einer überbelastet?“ begrenzt ist. Vor allem in der Defensive, wo er nur sechs Profis für vier Positionen hat.

Im Fokus stehen daher die Nationalmannschaften von Frankreich, Holland, Südkorea und Marokko. Denn während etwa bei der deutschen Auswahl, die am Samstag gegen Japan und drei Tage später gegen Frankreich spielt, in Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Thomas Müller, Leroy Sané und später wohl Musiala lediglich Spieler aus der üppig besetzten Kreativabteilung stehen, sind dort die Defensiv-Männer gefordert. Dayot Upamecano etwa muss – genau wie Kingsley Coman – mit der Équipe tricolore bereits morgen Abend gegen Irland wichtige Punkte in der EM-Qualifikation einfahren, ehe es im Test gegen die DFB-Elf geht. Und auch Matthijs de Ligt erlebt mit der Niederlande keine Lustreise. In Eindhoven wartet morgen Griechenland, am Sonntag dann in Dublin das Duell mit Irland. Nach einem Sieg und einer Niederlage sollte das Team von Ronald Koeman auf dem Weg zur EURO in kommenden Jahr dringend sechs Punkte einfahren.

Eine gute Nachricht immerhin gibt es von Minjae Kim. Denn die Reisestrapazen mit der südkoreanischen Auswahl halten sich diesmal in Grenzen. In Cardiff und Newcastle trifft Kim auf Wales und Saudi-Arabien, allerdings findet die zweite Partie erst kommenden Dienstag statt. Genau wie jene, die Noussair Mazraoui mit dem WM-Vierten Marokko im französischen Lens gegen Burkina Faso bestreitet. Aktuell allerdings befindet sich der Außenverteidiger in der Heimat, wo am Samstag in Agadir das letzte Quali-Spiel für den Africa Cup gegen Liberia ansteht. Da kommen Reisekilometer zusammen.

Außerdem gefordert sind: Harry Kane mit England (EM-Quali gegen die Ukraine, Test gegen Schottland), Konrad Laimer mit Österreich (Test gegen Moldau, EM-Quali gegen Schweden), Eric Maxim Choupo-Moting mit Kamerun (Africa-Cup-Quali gegen Burundi), Daniel Peretz mit Israel (Tests gegen Rumänien und Weißrussland), Mathys Tel für drei Spiele mit der französischen U17 und Tarek Buchmann für zwei Partien mit der deutschen U19. Tuchel kann viel Fußball schauen – und muss viel bangen.

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