Der Gigant wird weich

von Redaktion

US-OPEN Nach dem Sieg über Taylor Fritz zeigt Novak Djokovic selten erlebte Gefühle

New York – Für Novak Djokovic schlüpft selbst Coco Gauff gern in die Rolle der Stadionsprecherin. „Novak ist ein Spieler, den es nur einmal in einer Generation gibt“, krähte die 19 Jahre alte Gauff vor dem Auftritt des Serben ins Stadionmikrophon. Und der zahlte mit Leistung zurück. Mit 6:1, 6:4, 6:4 beendete der 36-Jährige in der schwülen Mittagshitze von New York die Hoffnungen des Amerikaners Taylor Fritz und trifft direkt auf den nächsten Favoriten der Heim-Fans – den 16 Jahre jüngeren Ben Shelton. Mit seiner 47. Halbfinalteilnahme bei einem Grand Slam holte sich Djokovic auch diesen Rekord und liegt nun vor Roger Federer.

In den Jubel über die nächste Bestmarke mischten sich bei Djokovic auch sentimentale Gefühle. „Ich komme aus Serbien, einem in den 1990er-Jahren vom Krieg zerrissenen Land. Ich musste mich mit meiner Familie vielen Widrigkeiten stellen, um überhaupt nur reisen und international Sport betreiben zu können“, sagte er und deutete auf seine Eltern auf der Tribüne: „Ohne ihre Liebe und ihre unglaublichen Opfer wäre ich nicht hier.“

Dabei jubelte ihm das Publikum zu. Dass er im vergangenen Jahr ohne die zur US-Einreise notwendige Coronaimpfung fehlte, schadet der Zuneigung offenbar nicht. Auch durch die bittere Final-Niederlage 2021 gegen den Russen Daniil Medwedew, mit der Djokovic den Triumph bei allen Grand Slams in einem Jahr verpasste, hat er die Zuneigung der New Yorker gewonnen. „Ich blühe durch diese Energie auf“, sagte er nach dem Sieg über Fritz.

Anschließend stimmte er sogar „You gotta fight for your right to party“ von der New Yorker Hip-Hop-Band Beastie Boys an und forderte die Fans zum Mitsingen auf. Im Alter von 36, 20 Jahre nachdem ich nach New York gekommen bin, habe ich immer noch den Hunger, mein bestes Tennis auf dem Platz zu spielen“, erläuterte der dreimalige US-Open-Sieger seine Herangehensweise.

In der nahen Zukunft wird Djokovic nach den US Open wieder die Topposition in der Weltrangliste übernehmen und seine Bestmarke mit der 390. Woche an der Spitze ausbauen. Und auch bei der Turnierauswahl geht der Blick des 23-maligen Grand-Slam-Turniersiegers nur noch auf die Rekordbücher. Ein Triumph in New York würde ihn zur Australierin Margaret Court, die die meisten Titel bei den Frauen innehat, aufschließen lassen.

„Djokovic versetzt auch in diesem Alter noch seine Rivalen ins Staunen, dass er so gut ist, so großartig“, erläuterte Tennis-Legende John McEnroe, der bei den US Open als Experte im Einsatz ist, die Einzigartigkeit. „Es scheint, als würde er es immer noch mehr als andere wollen. Das macht es unglaublich.“  dpa

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