Ter Stegen erklärt sich zur Nummer eins

von Redaktion

Alles Gute für Manuel Neuer – „aber Situation eine andere als 2018“

Wolfsburg – 2017/18 war eine gute Saison für Marc-Adre ter Stegen, den Torwart des FC Barcelona. Im Verein brillierte er mit seinen Reaktionen auf der Linie wie mit seiner Beteiligung am Spiel der Katalanen, sodass man ihn den „Messi mit Handschuhen“ nannte. In der deutschen Nationalmannschaft war er ein starker Rückhalt, die Vorderleute hatten sich komplett auf ihn eingestimmt. Und dann gab es im WM-Trainingslager in Eppan in Südtirol diesen Moment, in dem Bundestrainer Joachim Löw ter Stegen zur Seite nahm und ihm mitteilte, dass all die wunderbaren Vorleistungen nichts bringen würden, weil Manuel Neuer zum Turnier in Russland zurückkehren werde. Neuer nahm mit gerade ausgeheiltem Mittelfußbruch und nach einjähriger Pause mit einem Vorbereitungsspiel und bei ständigen Untersuchungen, ob die Verletzung wirklich nicht stört, wieder seinen Platz ein.

Wird Marc-Andre ter Stegen 2023 ein Deja-vu von damals erleben? Wird ter Stegen, 31 Jahre alt und seit 2012 im permanenten Wartestand, beim DFB mal zu übernehmen, wieder eine Rückstufung erfahren, wenn Neuer (37), immer noch Kapitän des Nationalteams, sich nach dem Post-WM-Schien- und Wadenbeinbruch für spielfähig erklärt?

Marc-Andre ter Stegen sagt: „Die Situation ist jetzt eine andere. 2018 war Manu die Nummer eins, ich hatte die Hoffnung, dass ich am Ende trotzdem im Tor stehen werde; das war aber nicht so. Nun bin ich die Nummer eins. Die Situation hat sich so ergeben.“

Es gibt wenige bis gar keine unmittelbaren Bezugspunkte zwischen den beiden Torhütern. Ter Stegen lebt in Barcelona in einer anderen Welt mit anderen Fußballthemen, verfolgt die Bundesliga aus der Ferne. „Ich weiß nicht, in welcher Phase seiner Reha Manu ist, ich habe gesehen, dass er auf dem Platz steht, was mich freut.“ Die Mindest-Empathie für den Kollegen bringt er also auf: „Ich hoffe, dass er Freude am Fußball hat und auf sein Niveau zurückkehren wird.“ Ter Stegen will schließlich den vollwertigen Manuel Neuer überflügeln – und nicht das verbeulte Auslaufmodell Manuel Neuer.

Die Nummer-eins-Frage hat ein großes Aufregerpotenzial. Das zieht sich seit Jahrzehnten durch den deutschen Fußball. Als kurz vor der Weltmeisterschaft 2006 Herausforderer Jens Lehmann zum Wettbewerbssieger über den Platzhirschen Oliver Kahn erklärt wurde, war das die Topmeldung in der „Tagesschau“, und es folgte ein ARD-Brennpunkt. Bald nach Lehmann begann die lange und fruchtvolle Kahn-Regentschaft.

Marc-Andre ter Stegen zwang sich vor fünf Jahren in Russland zum Stillhalten: „Ich werde keine Rebellion auslösen und unsere Ziele gefährden.“ Er verfolgte von der Bank aus, wie die Elf mit Manuel Neuer bei zwei WM-Turnieren in der Vorrunde und bei der EM im Achtelfinale scheiterte. Nach einem eigentlich recht unverfänglichen Interview Ter Stegens in „11 Freunde“ erboste sich Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß über die Artikulation von Ambitionen. Er witterte eine Pro-Ter-Stegen-Kampagne der „westdeutschen Presse“.

Hansi Flick hat einen offenen Konkurrenzkampf um das deutsche Tor ausgerufen, und das ist schon ein Unterschied dazu, wie es 2018 war: Flicks Vorgänger Joachim Löw hatte seinem 2014er-Weltmeister Manuel Neuer einen Bonus eingeräumt.

Davon ist nun und obwohl auch Neuer und Flick die Weltmeister- plus die Bayern-Geschichte teilen, offiziell keine Rede mehr. Ter Stegen muss glauben, dass er eine Chance hat. „Mein Fokus“, sagt er, „liegt auf meiner Leistung. Alles andere hieße, Energie zu verschwenden.“ GÜNTER KLEIN

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