Zwischen Wunsch… und Wirklichkeit

von Redaktion

Kepa, Palhinha, Walker, Chalobah: Tuchels Kader sollte anders aussehen – glücklich ist der Bayern-Coach nicht

München – Knappe sechs Tage sind seit dem Zeitpunkt vergangen, der beim FC Bayern noch nachwirkt – und es auch noch länger tun wird. Denn zu all dem, was am vergangenen Freitag zwischen Sonnenaufgang und 18 Uhr passiert ist, kursieren rund um die Säbener Straße verschiedene Versionen. Die einen (Thomas Tuchel) sagen so, die anderen (die übrigen Herren der Transfer-Taskforce) so. Aber für Uli Hoeneß ist das alles halb so wild. In der Sport Bild erklärte der Ehrenpräsident mit Blick auf Gerüchte um interne Differenzen: „Das ist eine Masche, um uns auseinanderzudividieren.“ So weit die offizielle Version. Und überhaupt: „Man kann doch mal unterschiedlicher Meinung sein.“

In der Tat ist es so, dass eine gesunde Streitkultur zur DNA dieses Vereins gehört. Und trotzdem ist das für den Sommer installierte Gremium – und dessen Wirken – kein Thema, das nun, da das Transferfenster geschlossen ist, einfach abgehakt werden kann. Vielmehr haben die letzten Tage, in denen sich einige Mitglieder der Taskforce kurze Auszeiten gönnen, während Tuchel mit seiner Rumpftruppe schwitzt, die verschiedenen Ansichten nur bestärkt. Die Bosse fordern den Coach nach dem verkorksten „Deadline Day“ zu mehr Kreativität auf – und Tuchel ärgert sich immer noch. Ein Vorwurf, der zu hören ist: Die Taskforce habe zu träge agiert und deshalb einen Wunschspieler nach dem anderen von der Liste streichen müssen.

Es ist kein Geheimnis, dass Tuchels Traumelf anders aussieht als die, die der 50-Jährige nun zur Verfügung hat. Und die Gründe dafür sind vielschichtig. Sie liegen irgendwo zwischen den Ansichten von bis zu acht meinungsstarken Männern, die jeweils eigene Netzwerke pflegen und bemühen. Es geht um Berater und Mittelsmänner, Spieler und Entscheidungsträger. Und Beispiele für gescheiterte Deals haben die vergangenen Wochen zu Genüge geliefert. Sein Wunschkeeper Kepa sagte Tuchel in letzter Sekunde ab („ich war schon fast in München“). Und auch der Fall Ryan Gravenberch ist bezeichnend. Weil das Umdenken zum Verkauf erst zwei Wochen vor Ende der Frist stattfand und die Realisierung des Liverpool-Wechsels dauerte, lief den Bossen beim Kauf von Tuchels Königstransfer Joao Palhinha die Zeit davon. Ein gewünschter Sechser soll nun im Winter kommen, Sportdirektor Christoph Freund ist längst mit der Aufgabe betraut. Bis dahin aber muss es mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Konrad Laimer gehen – der allerdings auf mehreren Positionen gebraucht wird.

Denn auch auf der Baustelle rechts hinten herrschte intern kein Konsens. Tuchel wollte Benjamin Pavard halten, bis der sogar bei Hoeneß am Tegernsee vorstellig wurde, um seinem Wechselwunsch Nachdruck zu verleihen. Kurz bevor der Franzose dann mit Mailand klar war, wurde es hektisch: Nach Informationen unserer Zeitung haben Bayern-Verantwortliche über Mittelsmänner sogar noch versucht, ManCitys Kyle Walker zum Umdenken zu bringen. Vergeblich, genau wie das Werben um Trevoh Chalobah, das im Schatten des komplizierten Palhinha-Deals fast unterging.

Nun „ist’s, wie es ist“, sagte Tuchel jüngst. Öffentlich wählte er die Formulierung „dünner Kader“ – intern wohl eine andere. H. RAIF/P. KESSLER

Artikel 1 von 11