Wolfsburg – Niclas Füllkrug, der Neu-Dortmunder, ist unpässlich zur Nationalmannschaft gekommen, man hat ihn behandelt, aber klargestellt, dass man ihn gegen Japan und Frankreich nicht einsetzen werde. So war früh klar: Deutschland wird ohne klassischen und bulligen Stoßstürmer spielen, sondern mit der eher filigranen Variante des offensiven Mittelfeldmannes, der ganz nach vorne rückt: mit Kai Havertz.
Nur: Er hat keinen Lauf. Innerhalb der Premier League ist er gerade gewechselt, sogar innerhalb der Stadt: vom FC Chelsea zur FC Arsenal. Das erscheint ein wenig fantasielos, weil er als Champions-League-Sieger von 2021 von etwas Spektakulärerem geträumt hatte – und es hat sich nicht gut angelassen im neuen Club. Nach vier Punktspielen in der Liga und einem Auftritt beim Community Shield ist der 24-Jährige, dessen Transfer 75 Millionen Euro bewegt hat, noch ohne Tor und Vorlage. Aus seiner Sicht nicht ungewöhnlich, „weil ich in meiner Karriere schon die eine oder andere Phase hatte, in der es etwas holpriger lief. Eine Anlaufzeit dauert manchmal halt etwas länger.“ Da sei er entspannt – „auch wenn nach ein paar Spielen Schlechtes über einen geschrieben wird“.
Bei Arsenal schieben sie Havertz hin und her, als wüssten sie nicht, welche die geeignete Position für ihn wäre. Er spielte zentrales Mittelfeld, offensives Mittelfeld, Mittelstürmer, Dass jetzt in Deutschland die Frage nach seiner Rolle kommt, lässt ihn genervt die Augen verdrehen: Kommt „gefühlt zum 1000. Mal“. Die Antwort dazu: „Es ist nichts Schlimmes für mich, Mittelstürmer zu spielen. Ich habe das eineinhalb Jahre bei Chelsea gemacht – mit Erfolg.“
Kai Havertz wirkt angefressen. Seit Jahren begleitet den deutschen Fußball das Thema, dass es vorne an einem Verwerter fehle. Dabei ist seine Bilanz in der Nationalmannschaft eine gute: In 37 Länderspielen hat Havertz 13 Tore erzielt, er hat sich auch in den Turnieren als verlässlicher Produzent erwiesen: Zwei Treffer bei der EM 2021, zwei bei der WM 2022 – wobei ihn die Statistik nur in neun der 37 DFB-Auftritte als Neuner listete. Sogar Rechts- oder Linksaußen hat er öfter gespielt.
Vielleicht wird seine Mittelstürmer-Rolle im erwarteten neuen Flick-System klarer als bislang ausgewiesen und er einfach ein schlaksiger Füllkrug sein. Leroy Sané und Serge Gnabry müssten ihm dann zuarbeiten. Damit seine persönliche Flaute endet. „Es wird wieder eine gute Phase kommen“, kündigt er an. GÜNTER KLEIN