New York – Auf ihrem Weg ins ersehnte Heim-Finale ließ sich Coco Gauff auch vom aufsehenerregenden Protest durch Umweltaktivisten nicht aus dem Konzept bringen. Unbeeindruckt von einer knapp 50-minütigen Unterbrechung stürmte der umjubelte amerikanische Tennis-Star ins Endspiel der US Open – und zeigte Verständnis für die Aktion, bei der ein Mann seine nackten Füße auf der Tribüne des Arthur Ashe Stadiums festklebte. „Momente wie diese sind Momente, die die Geschichte prägen werden“, sagte die 19-Jährige nach dem 6:4, 7:5 über die Tschechin Karolina Muchova. „Ich hätte es bevorzugt, wenn es nicht in meinem Match passiert, aber ich war nicht sauer auf die Protestierenden.“
Anfang des zweiten Satzes riefen die Aktivisten im Oberrang des größten Tennis-Stadions der Welt nach einem Seitenwechsel der Spielerinnen Parolen in die New Yorker Nacht. Sie trugen T-Shirts mit den Aufdrucken „End Fossil Fuels“ („Stoppt fossile Brennstoffe“) und der Gruppe Extinction Rebellion. „Ich glaube an den Klimawandel“, betonte Gauff, die sich oft zu gesellschaftlichen Themen äußert und auch nun gewohnt klar positionierte. „Ich denke, dass wir etwas besser machen können. Ich weiß, dass Turniere etwas für die Umwelt tun.“
In einer zum Ende hochklassigen Partie verwandelte Gauff nach mehr als zwei Stunden ihren sechsten Matchball. Im Endspiel am Samstag trifft der Publikumsliebling auf die Belarussin Aryna Sabalenka, die nach einer Leistungssteigerung 0:6, 7:6 (7:1), 7:6 (10:5) gegen Madison Keys gewann und damit ein amerikanisches Finale verhinderte.
„Ich habe es so behandelt wie eine Regenpause“, sagte Gauff bei ESPN – und hatte zuvor bereits eine Vorahnung gehabt: „Das Verrückte ist – ich habe heute Morgen gesagt: „Ich wette, dass es im Finale einen Klimawandel-Protest gibt.“ Ich habe nicht gedacht, dass es schon im Halbfinale sein wird.“ Unter anderem bei den French Open und in Wimbledon hatte es in der Vergangenheit beim Tennis schon ähnliche Proteste gegeben. Gauffs Gegnerin nahm die Aktion lakonisch. „Es ist, wie es ist. Es hat offensichtlich den Rhythmus ein wenig geändert, aber was können wir tun?“, sagte Muchova achselzuckend und meinte: „Menschen.“
Als noch große Verwirrung herrschte, wurde im Stadion durchgesagt, dass „ein Problem im Zuschauerbereich“ gelöst werde und die Partie so schnell wie möglich fortgesetzt werden solle. Gauff übte zunächst ein paar Aufschläge, Muchova ließ sich auf der Bank behandeln. Beide Spielerinnen gingen anschließend in die Katakomben, hielten sich dort bereit. Zahlreiche Zuschauer skandierten in Richtung der Protestierenden: „Schmeißt sie raus.“
Zunächst wurden drei Personen abgeführt. „Als die Sicherheitskräfte ankamen, hatte sich eine Person mit nackten Füßen auf dem Boden festgeklebt“, sagte Turnierdirektorin Stacey Allaster.
Nach knapp 45 Minuten kamen die Spielerinnen unter dem Jubel der Zuschauer wieder auf den Platz und schlugen sich erneut warm. Beim Stand von 5:3 im zweiten Satz erarbeitete sich Gauff ihren ersten Matchball. Insgesamt fünf Chancen zum Sieg des Publikumslieblings wehrte Muchova teils spektakulär ab – bis die Amerikanerin doch jubeln durfte. Mit den Händen formte sie ein Herz in Richtung der Fans. „Bei einigen Punkten war es so laut, ich weiß nicht, ob meine Ohren okay sind“, scherzte Gauff. „Das ist verrückt. Ich habe das Turnier gesehen, als ich aufgewachsen bin, deshalb bedeutet es mir sehr viel.“ dpa