Um die üblichen Plattitüden direkt abzuräumen: Nein, wir sind nicht plötzlich Basketballnation. Und nein, das war auch kein Märchen, kein Wunder. So oft man das nun lesen wird. Verkennen wir nicht, was wirklich passiert ist. Deutschland, Weltmeister im Basketball, soweit konnte es nur kommen, weil so viele Dominosteine zum richtigen Zeitpunkt fielen. Dieses Turnier war eine einmalige Chance. Natürlich beginnt alles bei Dirk Nowitzki, weil seiner Exzellenz all diese Spieler entsprungen sind. Andreas Obst, der deutsche Superwerfer, hängte sich bei seinem Umzug nach Bamberg mit 18 ein Nowitzki-Poster ins Zimmer. Darauf stand: „Alle Träume sind verrückt – bis sie wahr werden.“
2019, nach dem blamablen Vorrunden-Aus, wagte niemand zu träumen. Wie der Verband das Debakel aufarbeitete, ist in diesen Tagen ein wohltuendes Beispiel für den korrekten Umgang mit Fehlern, auch sehr großen. Der DBB legte ein Biotop der Harmonie an, suchte nicht nur nach den größten Namen, sondern nach den besten Teamspielern. Beaufsichtigt von einem Kanadier, der mit einem Doktor in Sportpsychologie abgeschlossen hat, in der NBA als Assistenzcoach arbeitete, genauso aber auch seit beinahe 30 Jahren den FIBA-Basketball kennt. Herbert weiß, wie er große Egos zu managen, genauso wie man bei einer WM zu spielen hat, die ohne die größten Weltstars auskommt. Das gehört ja auch zur Realität, Deutschland schlüpfte durch ein Fenster, das nur kurz offen steht. Früh forderte der Trainer von seinen Leuten einen Treueschwur auf drei Jahre. Und bekam ihn. Auch von den NBA-Leuten. Was nun auf dem Platz zu sehen ist, ist das Destillat. Kein Sieg ist groß, kein Streit eine Krise, keine Niederlage ein Drama. Herbert hat das Team um Dennis Schröder herum aufgebaut. Auch um ihn aufzufangen. Eingebettet in ein Nest der Wärme, das seine Art abfedern kann. Männer wie Johannes Voigtmann, Isaac Bonga, Moritz und Franz Wagner, Weltklasse auf dem Platz und genauso auch Gelassenheit und Sanftmut in Menschenform, bilden das Gegengewicht, wo die Waage früher zu kippen drohte. Diese Mannschaft wird nicht für einen Basketball-Hype sorgen, das ist im Land des Fußballs nichts möglich. Aber sie liefert etwas Nobleres. Ein Vorbild für Sportsgeist, Zusammenhalt und sportliche Brillanz. ANDREAS MAYR