Das Größte kommt noch

von Redaktion

BASKETBALL Erst wird weiter gefeiert, dann geht der Blick für die Weltmeister nach Paris

VON ANDREAS MAYR

Manila – Die Weltmeister landen heute am Flughafen in Frankfurt. Schlaflos nach einer Nacht im Rausch, noch immer freudetrunken und mit Pokal. Ihre Asienreise haben sie mit dem Weltmeistertitel abgeschlossen, dem größten Erfolg einer deutschen Basketballmannschaft. Aber es ist nicht das Ende ihrer Mission. Für einen letzten Ritt werden sie sich nochmals aufmachen. Im nächsten Jahr. Auch wenn man das jetzt, im Augenblick des Sieges noch niemand begreifen kann – das Größte steht ihnen bevor.

Eine Medaille bei den olympischen Spielen in Paris, 2024, bedeutet die Vollkommenheit der schon jetzt erfolgreichsten Episode der deutschen Nationalmannschaft. Vielleicht ist es auch nicht richtig, jetzt schon über morgen zu sprechen. Aber man muss. Denn diese Expedition war immer schon am Olymp ausgerichtet. Und sie begann vor ziemlich genau zwei Jahren. Genügend verstanden nicht, wieso der Verband, der DBB, seinen gar nicht so erfolglosen Bundestrainer Henrik Rödl nicht behalten wollte, ihn 2021 mit Gordon Herbert ersetzte. Heute weiß man’s.

Bei Herbert blitzte die Vision durch, wie sich diese Generation, die so viel Talent wie nie zuvor vereint, veredeln lässt. Die mit den NBA-Größen Dennis Schröder, Daniel Theis, den Wagner-Brüdern, die mit international angesehenen Johannes Voigtmann, Maodo Lo, Andreas Obst. Trainer Herbert verlangte von ihnen ein Bekenntnis für drei Jahre. Der Rest ist Basketball-Geschichte. Sie alle sollten erklären, was das nun für den Sport in Deutschland bedeutet. Sie konnten es aber nicht recht einordnen. Er hoffe nun, dass mehr Kids anfangen, dass sie Vorbilder sein können, wie Dirk Nowitzki es für sie war, sagte Dennis Schröder.

Die zentrale Botschaft, die sie kollektiv aussendeten, war folgende: Sie möchten endlich ihren Platz in der deutschen Sportlandschaft, sie möchten Anerkennung. Das Analysesystem PotAs, das die Potenziale der deutschen Sportverbände beleuchten sollte, führte die Basketballer jüngst an letzter Stelle. Die Leichtathleten übrigens an Position eins. Darüber würde man im deutschen Lager zu gerne schmunzeln. Aber die Sache gestaltet sich zu ernst und zu traurig, Fördergelder hängen daran.

Auch die Sache mit dem Fernsehen quälte sie nach dem Gold-Coup. „Nur das Finale war im Fernsehen zu sehen. Ich wünsche mir, dass künftig jedes einzelne Spiel dort zu sehen ist. Ich wünsche mir, dass wir endlich unseren Respekt bekommen“, verkündete Schröder aller Welt. Das ZDF war erst zum Endspiel eingestiegen. Früher traute man sich offenbar aus Angst vor schwachen Quoten und Niederlagen nicht. Es sind die kleinen Grabenkämpfe, die ein Nischensport zu führen hat. Einer mit Zukunft.

Gewiss, so schnell wird es kein WM-Gold mehr geben. Die Stützen der Mannschaft steuern die 30 an oder haben die Altersgrenze schon überschritten. Olympia ist ihr finaler Tanz. Doch dahinter in der Pipeline stecken Talente, große Talente, wie man sie früher alle zehn Jahre einmal bestaunte. Vorneweg der Posterboy der Generation Zukunft: Franz Wagner. Dieser Franz Wagner. Von dem gerade niemand weiß, wo überhaupt die natürliche Grenze seines Könnens zu ziehen ist.

Dass der Mann All-Star wird – geschenkt. Aber wie weit nach oben kann das gehen? Top-20-Spieler der Welt? Top 10? Oder wird aus ihm gar so ein „Apex Predator“, wie das die Amerikaner nennen, ein Gipfelräuber, der an Spitze der Nahrungskette steht, das Premiumprodukt unter den Flügelspielern? Ausschließen mag das niemand. Viel wird davon abhängen, was sein Arbeitgeber, die Orlando Magic, mit ihm vorhat. Ob sie in ihm ebenfalls einen Superstar der ersten Güteklasse erkennen, ihn bedingungslos protegieren. So oder so: Franz Wagner aus Berlin, 22 Jahre alt, ist die neue Lichtgestalt des deutschen Basketballs. Um ihn herum wird man den Rest des Jahrzehnts anlegen.

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