Dortmund – Der alte Bundestrainer musste wenigstens nicht durch die Hintertür gehen. Für Hansi Flick gab es nach seiner Freistellung eine kleine Zeremonie, „die ihm auch gut gefallen hat“, so Rudi Völler. Neben DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach Kapitän Ilkay Gündogan, und es war, so Völler, „eine wunderbare Rede“. Gündogan sagte am Montag, als die Nationalmannschaft nach Dortmund übergesiedelt war: „Ich und andere Spieler, wir haben das Gefühl, Hansi im Stich gelassen zu haben.“
Jetzt aber: Blick voraus auf Frankreich (Dienstag, 21 Uhr, ARD). Ein Gegner, der einen ja eigentlich erschaudern lassen muss nach dem Japan-Spiel, denn die Franzosen sind, so Rudi Völler, spezialisiert „auf Umschaltsituationen“. Die Japaner flitzten den Deutschen ja regelmäßig davon – und nun kommt die Sprintmaschine Kylian Mbappé auf sie zu. Aber; „Wir haben uns schon ein bisschen was ausgedacht,“ Er, der Sportdirektor, der trainermäßig an der Linie agieren wird, und seine Assistenten Hannes Wolf („Den hatte ich schon mal zehn Wochen in Leverkusen. Er brennt“) und Sandro Wagner („Rechte Hand von Hannes“). Die holte Völler dazu, denn er wollte, „dass die Mannschaft neue Gesichter sieht“. Sie machen die Arbeit auf dem Platz.
Zwei junge Trainer und Völler als Spiritus rector – ein Modell über das Frankreich-Spiel hinaus? Man denkt zurück ans Jahr 2000. Da sollte Rudi Völler nur Platzhalter sein (für Christoph Daum), doch bereits bei seinem ersten Spiel, einem 4:1 in Hannover gegen Spanien, stimmte das Volk mit einem „Ruuudiii“ für seinen längeren Verbleib ab. Dortmund bietet sicher auch „ein wunderbares Heimpublikum“. Auf solche Gedankenspiele, was aus möglicher Euphorie entstehen könnte, lässt der 63-Jährige sich nicht ein. „Ich will nicht sagen, dass man mich überreden musste, ich war bereit zu helfen. Aber ich mache es nur dieses einzige Mal.“ Danach will Völler unverzüglich auf die Suche gehen. „In dreieinhalb Wochen fliegen wir nach Amerika.“ Schon die Neubesetzung des Bundestrainerpostens soll „für Euphorie sorgen“. Der DFB will das schnell erledigt haben.
Auch wenn das „makaber klingt“, wie Völler es ausdrückt: Er glaubt noch an die Qualität im deutschen Kader. Auch Ilkay Gündogan wischt die These des Kollegen Thomas Müller, Deutschland sei „nur noch theoretisch Weltklasse“, mit einem „Nein“ vom Tisch.
Ilkay Gündogan möchte, dass man zu einem alten Merkmal zurückkehrt: „Deutschland hatte nicht immer viele Weltklassespieler, aber oft eine Weltklassemannschaft.“ Am Kollektiv müsse also gearbeitet werden. Er erzählt, wie es für ihn bei Manchester City, dem besten Team der Gegenwart, für das er bis vor Kurzem spielte, lief: „Als wir die Champions League gewonnen haben, habe ich viele Fehler gemacht. Aber es waren immer Mitspieler da, die sie wettgemacht haben. Und ich ihre,“ Nur so gehe es: „Die größten Mannschaften sind die, die sich auf dem Platz zu hundert Prozent vertrauen.“
Die Grundstimmung in der Mannschaft, versichert Gündogan, sei positiv. „Im zwischenmenschlichen Bereich stimmt es. Aber man merkt, dass bei einigen Spielern, bei jüngeren, eine Barriere, eine Scheu da ist, sich wie im Verein zu entfalten.“
Wie genau er spielen lässt, darauf wollte sich Rudi Völler noch nicht festlegen. „Ein, zwei, drei Änderungen“ stellte er in Aussicht, „ein paar Spieler sind auch angeschlagen“ – und das geht vom Streicheln der Seele nicht weg.
Junge Spieler spüren eine Barriere