Schröder hat es allen gezeigt

von Redaktion

Der Kapitän der deutschen Basketballer ist vorangegangen – und hat auch das Team glänzen lassen

Manila – Der Mann, der so oft der Buhmann der Nation gewesen ist, durfte sich endlich freisprechen. Loslösen von seiner Vergangenheit, die ja doch über ihm hing, gleich einer Gewitterwolke, jederzeit gefährlich nahe am nächsten Schauer. Über Dennis Schröder wurde oft nichts Schönes geschrieben, nicht Nettes gesagt. Für die einen war er ein Prolet, für die anderen ein Selbstdarsteller, für alle war er vor allem eines nicht: Dirk Nowitzki.

Die Deutschen fremdelten mit diesem Basketballer aus Braunschweig deswegen so sehr, weil er seine eigene Marke kreierte, weil er nicht wie der große Blonde ist, den sie als Archetyp des Basketballstars abgespeichert hatten. Und weil er nicht gewann, egal wie sehr er sich mühte. Wie sehr Dennis Schröder unter diesem Druck litt, zeigte sich im größten Moment seiner Karriere. Als er schaffte, was nicht einmal Dirk Nowitzki vergönnt war. Als er die deutsche Nationalmannschaft zum ersten Weltmeistertitel der Geschichte führte und auch noch die Weihen als bester Spieler des Turniers mitnahm. Im Augenblick, in dem er hinauf stieg zu Nowitzki, in die Ruhmeshalle des deutschen Basketballs, rechnete er ab.

Mit den Zweiflern, mit den Skeptikern, mit den Kritikern und vor allem mit „den Hatern“, wie er selbst sagt. Also denjenigen, die ihm stets das Schlechteste wünschen. Dennis war einfach Dennis – und es war gut so. Zu allen, die ihn unterstützen, sagte Schröder: „Ich küsse Ihre Herzen“. Und die anderen? „Die können trotzdem wegbleiben.“ Seinen Respekt möchte er haben, sagte Schröder. Er wollte einfach Dennis Schröder sein dürften, der Junge aus Braunschweig, der mit 18 Jahren schon die Millionen machte in Atlanta.

Wen formt so etwas nicht? „In Deutschland haben die Leute das anders aufgenommen“, sagt Schröder. Sie wollten in ihm die Ausgeburt alles Schlechten erkennen im amerikanischen Basketball. Einen egozentrischen, jungen Fratz mit zu viel Geld und zu großer Klappe. Was sie nicht sahen: den jungen Mann aus Braunschweig, der wie kaum ein anderer sich und sein Herz für den deutschen Basketball hergab, der sich Sommer für Sommer opferte, selbst als er keinen Vertrag unterschrieben hatte.

Natürlich hat er gelitten und er antwortete darauf mit Trotz. Er wollte allen zeigen, dass er dazu gehört. Und er wollte das tun, wie es Nowitzki tat, mit Punkten, mit Körben. Aber niemand ist Nowitzki. Diese Einsicht kam womöglich final erst im Spiel gegen Lettland, als er so viele Würfe vorbei setzte wie ein keiner zuvor.

Das Spiel erdete ihn, hievte ihn in die Rolle zurück, die ihm zugetragen wurde vom Bundestrainer: Kapitän, Anführer, Spielmacher. Er füllte sie auf einem Level aus, wie es kein deutscher Aufbauspieler jemals erreicht hat. 20 Punkte, über sechs Vorlagen, das sind die Turnier-Statistiken. Aber was können Zahlen schon verraten über die Größe dieses Sportlers. Die Kraft, die Reife, sagt er, kommt aus seinem inneren Zirkel heraus. Von seiner Frau, den drei Kindern, alle in Asien dabei. „Meine Kinder haben sehr viel in mir geweckt, dass ich davor nicht hatte“, sagt er.

Dennis Schröder hat sich geöffnet. Im Internet, auf YouTube, zeigt er, wie sein Leben wirklich abläuft. Ihm ist das wichtig. „Da sehen die Leute, wie ich wirklich bin.“ Dennis Schröder hat sich emanzipiert, ist herausgetreten aus dem Schatten seines Vorgängers. Er braucht keine Erfolge mehr in der NBA, keine All-Star-Nominierungen, keine Meisterschaften. Für immer wird sein Namen als erstes genannt werden, wenn man über den 10. September 2023 spricht. Den Tag, an dem Deutschland Basketball-Weltmeister wurde. A. MAYR

Lange gab es Zweifel

Artikel 1 von 11