Dortmund – Es dauerte etwa fünf Minuten, da hallten schon die ersten Rudi-Völler-Sprechchöre von den Rängen des Dortmunder Signal-Iduna-Parks. Ein hörbarer Liebesbeweis für den Mann, der für den deutschen Fußball stets zur Stelle ist, wenn er gebraucht wird – und nach dem Aus von Hansi Flick daher das erste und letzte Mal als Interims-Bundestrainer an der Seitenlinie stand. Mit Erfolg: Die DFB-Elf schlug Vize-Weltmeister Frankreich dank der Treffer von Thomas Müller und Leroy Sané 2:1 (1:0).
„Wir müssen den Zuschauern wieder etwas zurückgeben und uns zeigen. Es wäre schön, ein gutes und engagiertes Spiel mit viel Leidenschaft zu machen. Auf solche Spiele muss man Bock haben“, gab Völler vor der Partie die Marschrichtung am ARD-Mikrofon vor. Und seine Mannschaft hatte Bock! Gerade einmal vier Minuten waren gespielt, als die deutsche Mannschaft eine Offensiv-Kombination aus ihren Füßen zauberte, die Thomas Müller zum 1:0 vollendete: Alles begann mit einem Ballverlust von Kapitän Ilkay Gündogan, der die Kugel in der eigenen Hälfte aber postwendend zurückeroberte. Emre Can hebelte den Ball mit der Hacke zu Leroy Sané, der ihn ebenfalls per Hackentrick zu Florian Wirtz spielte. Der junge Leverkusener verlagerte das Spielgeschehen auf die linke Seite, wo Serge Gnabry auf Benjamin Henrichs durchsteckte, der in der Mitte Müller fand.
Völler und seine beiden Interims-Co-Trainer Hannes Wolf und Sandro Wagner jubelten auf der Bank. Wohl wissend, dass solche Angriffe Balsam für die geschundene deutsche Fan-Seele im Hinblick auf die anstehende Heim-Europameisterschaft sind. Doch die Zuschauer feierten die Nationalspieler nicht nur für technisch versierte Offensivaktionen, sondern auch für mutige Grätschen (Emre Can) und eine harte Zweikampfführung (Antonio Rüdiger).
„Wir müssen unser Abwehrverhalten verbessern. Wir haben in den letzten Spielen viel zu viele Tore kassiert, weil wir zu leichte Ballverluste hatten“, hatte Völler erklärt. Das klappte – abgesehen von zwei Kopfbällen von Aurelien Tchouameni nach einem Freistoß und einem Eckball kurz vor dem Pausenpfiff – durchaus ordentlich. Daran änderte auch die verletzungsbedingte Auswechslung von Ilkay Gündogan nach 25 Minuten nichts, weil Pascal Groß seine Aufgabe mit mindestens genau so viel Disziplin wie der Kapitän anging. Im Mittelfeld war der temporäre Nationaltrainer daraufhin ein Stück weit zum Improvisieren gezwungen, weil Joshua Kimmich wegen muskulärer Probleme gar nicht erst im Kader stand.
Nach dem Seitenwechsel präsentierte sich Deutschland mindestens auf fußballerischer Augenhöhe mit den Franzosen. Das DFB-Team verwaltete die knappe Führung nicht nur abgeklärt, es hätte sie nach knapp 70 Minuten auch beinahe ausgebaut. Nach einer zielstrebigen Kombination über den linken Flügel wurde ein Schuss von Wirtz aus zentraler Position im Strafraum im letzten Moment geblockt. Sané war es dann, der in der 87. Minute für die Vorentscheidung sorgte, als er ein starkes Zuspiel von Jonathan Tah zum 2:0 unterbrachte. Auch der Anschlusstreffer zum 1:2 durch Antoine Griezmann (89.) per Foulelfmeter ließ den Völler-Effekt nicht verpuffen. Blöd nur, dass die Zwischenlösung keine Dauerlösung ist. Daran änderten auch Sprechchöre nichts.