Dortmund – Rudi Völler hat, obwohl seit einem Jahr offiziell vereinslos, noch immer spezielle Leverkusen-Kenntnisse. Und die führten in der Nationalmannschaft zu einer Besetzung der Außenverteidigerpositionen, die viele überraschte: mit Jonathan Tah rechts und Benjamin Henrichs links. Beide kennt er von Bayer – und er hatte einen tieferen Glauben an sie als die Allgemeinheit. Eine große Rolle hatten Tah (27) und Henrichs (26) bislang nicht gespielt in der nationalen Elite. Sie waren lediglich auf 16 und zehn Einsätze gekommen – über die Strecke einiger Jahre.
Tah wechselte 2015 vom Hamburger SV nach Leverkusen und wurde Nationalspieler. Als sich Antonio Rüdiger im Training des Europameisterschaftskaders 2016 in Frankreich einen Kreuzbandriss zuzog, nominierte der damalige Bundestrainer Joachim Löw als Innenverteidiger Jonathan Tah nach, der DFB ließ ihn aus New York einfliegen, wo er gerade seinen Urlaub angetreten hatte. Doch Tahs Nationalmannschaftskarriere tröpfelte nur so dahin, er wurde meist als stille Reserve auf der Bank gehalten – oder gar nicht erst nominiert. Sein letzter Einsatz vor dem Frankreich-Spiel, bei dem er einen stabilen Außenverteidiger gab, waren drei geschenkte Minuten im Juni 2022 beim 5:2 in der Nations League gegen Italien.
Es gab auch Zeiten, in denen Tah in Leverkusen Ersatzmann war; aktuell ist er aufgeblüht. Die Hochform trug ihn auch in die Nationalmannschaft. „Bei manchen Gegnern geht es nicht anders“, begründete Rudi Völler die Entscheidung, den 1,95-Meter-Mann auf die Außenposition zu stellen. „Ich wusste, dass er es kann.“ Die Leverkusen-Expertise.
Benjamin Henrichs spielt jetzt zwar in Leipzig, ging aber durch die Leverkusener Jugend und galt in seiner Profi-Anfangszeit als Offenbarung als rechter Verteidiger. Dazu hatte ihn Trainer Roger Schmidt geschult, weil er da jemanden brauchte. Wie Joachim Löw im Nationalteam: Er ließ Henrichs im November 2016 in San Marino debütieren – bei einem 8:0 bei unvergleichlichem Sauwetter. Henrichs hatte Spiele beim Confed Cup 2017, doch wurde auch noch von der deutschen U21 angefordert.
Als er nach Monaco wechselte, verschwand er vom Radar. Hansi Flick hatte ihn als Bayern-Trainer auf dem Zettel, doch es war Leipzig, das Henrichs in die Bundesliga zurückholte. Nun ist er Startelf-Kandidat beim DFB und sagt: „Es war ein geiles Gefühl, auf dem Platz zu stehen.“ GÜNTER KLEIN