München – An der Seitenlinie der Allianz Arena wird es an diesem Freitag zu einer Premiere kommen. Ungefähr 20.28 Uhr wird es sein, wenn Thomas Tuchel und Xabi Alonso sich die Hände schütteln, bevor sie in ihre Coaching-Zonen abziehen. Von dort aus werden beide alles dafür geben, ihr erstes persönliches Trainer-Duell für sich zu entscheiden. Ja, tatsächlich: Die beiden Herren sind als Verantwortungsträger noch nie aufeinandergetroffen. Und trotzdem hängt der Werdegang des einen unmittelbar mit jenem des anderen zusammen.
Am 25. Spieltag der vergangenen Saison nämlich war Tuchel noch kein Chefcoach beim FC Bayern. Die Partie, in der Alonsos Leverkusener den Rekordmeister mit 2:1 besiegten, verfolgte er als Fußball-Liebhaber, Außenstehender und eigentlich Unbeteiligter. Der Auftritt von Alonsos Team im 3-4-3 imponierte ihm – und dann ging es sowieso schnell: ein Anruf von Hasan Salihamidzic („Was willst Du?“), kurze Verhandlungen, eine Unterschrift. Alonso hatte Julian Nagelsmann den finalen K.o. versetzt – und somit Tuchel zurück auf die Bundesliga-Bühne befördert.
Dort steht er jetzt im Rampenlicht, wohl wissend, dass diese Partie gegen den aktuellen Tabellenführer Leverkusen mehr ist als ein Spiel um drei Punkte. Es geht um Prestige. Aber vor allem um das Binnenklima an der Säbener Straße, das nach den gescheiterten Transferbemühungen bei einer Pleite droht zu kippen. Drei Heimspiele – nach Leverkusen kommen Manchester United und der VfL Bochum – stehen in der ersten Wiesn-Woche an, und das mit jenem Kader, zu dem Tuchel gestern sagte: „Meine Meinung wird sich nicht ändern.“ Er empfindet ihn nach wie vor als zu dünn, aber es sei nun seine Aufgabe, „flexibel zu reagieren auf das, was jedes Spiel benötigt“. Versichern konnte der 50-Jährige: „Wir werden bereit sein, uns von der besten Seite zu zeigen.“ Das wird vonnöten sein, vor allem gegen Alonsos Team, das einen Traumstart hingelegt hat und die zweitplatzierten Bayern aus gutem Grund von oben grüßt.
Tuchel kam gestern regelrecht ins Schwärmen von der „sehr guten Mannschaft“, dem „sehr guten Trainer“, der „Homogenität“ und dem „hohen Niveau“. Und natürlich stellte er Alonso, gegen den er als BVB-Trainer zu aktiven Zeiten selten gewann, heraus. „Ich habe von ihm extrem viel über das Spiel gelernt, als ich ihm zusehen durfte“, sagte der Bayern-Coach, der sich schon sicher ist, dass Alonsos Weg „sehr erfolgreich“ weitergehen wird. Selten so eine „Antizipation“, selten so ein „Spielverständnis“, selten so eine „natürliche Aura“ gesehen.
Es klang fast schon lustig, als Tuchel hinterherschob: „Ich freue mich, ihn kennenzulernen.“ Denn blickt man auf Werdegang und Erfolge, hätte Alonso allen Grund, zu Tuchel hinaufzublicken. So oder so begegnen sich zwei Toptrainer. Und Alonso weiß zudem, wie man Bayern schlägt. Auch deshalb reiste er „mit einem guten Gefühl“ in seine alte Heimat. Die drei Jahre in München (2014-2017) seien für ihn „eine gute Vorbereitung“ für den jetzigen Job gewesen, sagte er: „Ich kannte das Land, den Fußball, den Rhythmus.“ Nostalgie ist bei der Rückkehr aber fehl am Platz: „Wir haben eine gute Chance.“
Der Blick ging dabei auf die eine Partie, nicht die gesamte Saison, in der der 41-Jährige die Bayern „unbedingt“ als „klaren Favoriten“ sieht. Dafür aber – und das weiß auch Tuchel – müsse sich trotz der kurzen Vorbereitungszeit auf das Spitzenspiel „jeder gedanklich reinfuchsen, um was es geht“. Eine Pleite zum Start in die Englischen Wochen wäre fatal. Für die Wiesn-Bilanz – Tuchel: „Wadlwärmer fallen bei mir weg, weil keine Wadln vorhanden sind“ –, aber auch fürs Gefühl auf allen Ebenen. Alonso soll nicht wieder Schicksal spielen.