Frankfurt/München – Am Dienstagabend war Andreas Rettig (60) beim Länderspiel Deutschland – Frankreich in Dortmund. Als zahlender Besucher, denn er hatte da keine Funktion im Fußball. Das änderte sich am Freitag, als er mit dem DFB einen bis 31. Dezember 2026 laufenden Vertrag abschloss als „Geschäftsführer der DFB GmbH & Co. KG“, zuständig für die Bereiche Nationalmannschaften und Akademie. Bevor die Frankfurter DFB-Zentrale um kurz nach 10 Uhr am Vormittag die überraschende Meldung verschickte, versuchte Rettig im Wissen, „dass ich nicht der Wunschkandidat des FC Bayern bin“, dessen Protagonisten Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß telefonisch zu erreichen. Das glückte ihm nicht, führte aber zu folgenden Schritten: „Rummenigge habe ich eine SMS geschrieben, Hoeneß auf die Mailbox gesprochen.“ Und? „Ich habe keine Resonanz erfahren.“
Indirekt erfolgte die Reaktion am Sonntag, als Rummenigge und Oliver Mintzlaff von Red Bull ihren Rücktritt aus der Taskforce erklärten, die nach der WM 2022 gegründet worden war, um den deutschen Fußball wieder aufzurichten. Sie empörten sich, übergangen worden zu sein bei dieser Personalie in einem wesentlichen Teil der Oliver-Bierhoff-Nachfolge. Ein Knall schon vor Andreas Rettigs offizieller Vorstellung am Montagmittag auf dem Campus.
Und da saß er nun, der Neue, in demonstrativer Hemdsärmeligkeit, im einfarbigen Poloshirt des Schaffers, der in den vergangenen Jahren aus verschiedensten Positionen (Geschäftsführer diverser Clubs von Leverkusen bis St. Pauli, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga) und als Privatier sich als schlechtes Gewissen des Profifußballs seine Rolle geschaffen hatte. Kommerzialisierung, Katar, Komfort schon für jugendliche Fußballer, Investorenauswüchse, Verteilung der Fernsehgelder – bisweilen lustvoll brachte Rettig seine Kritik an. „Die Haltungsfragen werden sich nicht verändern“, kündigt er an, „die Tonalität wird leiser“. Er blickt zu Bernd Neuendorf: „Der Präsident wird mich am Öhrchen zupfen.“
Der Präsident hat nun erst einmal versucht, Rummenigge und Mintzlaff wieder einzufangen. Dass er sie nicht einbezog und noch nicht einmal informierte, erklärte er so: „Das sollte keine Boshaftigkeit sein. Die Taskforce sollte über sportliche Belange sprechen“, sie habe Rudi Völler zum Sportdirektor erkoren und Hannes Wolf als Direktor für die Ausbildung des Nachwuchses empfohlen. Doch den DFB-Geschäftsführer zu bestimmen, „danach kam kein einziges Mal in diesem Gremium der Wunsch auf“. Es war eh kein Gremium, dass das hätte entscheiden können. Den Rat will Neuendorf dennoch weiterhin hören. „Wir haben sicher eine Differenz, aber der Geist unseres Telefonats war: Wir wollen aus Differenzen keine Fronten entstehen lassen.“ Rettig ergänzt: „Wir befinden uns in einer Krise, und es wäre gut, wenn der FC Bayern sich einbringt, wie es seiner führenden Rolle entspricht.“
Rudi Völler nannte Rettig einst „Schweinchen Schlau“, fordert aber nun von sich, „persönliche Überzeugungen an Realitäten anzupassen“. Man werde gut zusammenarbeiten. Rettig wiederum sieht vor allem in der anstehenden Bundestrainersuche „Rudi im Lead – denn es geht um inhaltliche Bewertung der Sachkompetenz, da ist er mir als Weltmeister überlegen“. Wobei: Rettig hat immerhin den Fußball-Lehrer. Aber für ihn ist klar, „dass es nicht meine Aufgabe sein wird, Ergebnisse der Nationalmannschaft zu kommentieren. Ich sehe mich in der strategischen Ausrichtung“. Die Kritiker seien zum Dialog eingeladen: „Ich teile hie und da aus und habe kein Glaskinn, wenn die Reaktion erfolgt. Es geht darum, dass sich alle unterhaken, davon darf persönliche Animosität nicht abhalten.“
Die erste Bestandsaufnahme von Rettig, der einräumte, sich am Montagmorgen im DFB-Campus auf der Suche nach Frühstück verlaufen zu haben: „Der Zustand des DFB ist wirtschaftlich herausfordernd und sportlich schwierig, aber mit Lichtblicken. Fußball-Deutschland setzt auf Rudi Völler und seine Ausstrahlung.“