München – Ein blöder Zweikampf kurz nach seiner Einwechslung. Tim Rieder (30) lag auf dem Rasen; er wusste, dass etwas nicht in Ordnung ist. In der 76. Minute war er in ein zerfahrenes Spiel gekommen, zehn Minuten später humpelte er schon wieder vom Platz – mit dick bandagiertem Knie. Das 0:0 beim Halleschen FC, das fünfte sieglose Spiel der Löwen in Folge, war am 24. Februar das kleinste Problem des zweikampfstarken Sechsers. Dass er beim Wiedersehen mit Halle an diesem Samstag (16.30 Uhr) wieder einsatzbereit ist, ist erfreulich für ihn. Die Frage ist jedoch: Wie fit ist der Rückkehrer? Und was hat das verunglückte Comeback in Ingolstadt mit seinem Selbstvertrauen gemacht? Aber der Reihe nach.
Innenbandriss lautete die Diagnose, die Ende Februar fast unterging, nachdem die Löwen parallel zu Rieders Verletzung einen neuen Trainer installierten: Sportchef Günther Gorenzel wechselte zurück ins Büro (nach nur zwei Punkten in den vier Spielen unter seiner Leitung), Maurizio Jacobacci übernahm. Er und Rieder lernten sich erst Wochen später besser kennen. Rieder fiel länger aus, als alle das im ersten Moment angenommen hatten. Ein normaler Innenbandriss heilt in sechs Wochen aus, ohne OP. Bei Rieder brauchte es sechs Monate: Er musste unters Messer, machte in der zurückliegenden Saison kein Spiel mehr, verpasste auch noch weite Teile der Sommervorbereitung – und gab erst vorigen Samstag in Ingolstadt sein Comeback im Profiteam. Und was für eins . . .
Zur zweiten Hälfte schickte ihn Jacobacci aufs Feld, Rieder sollte den gelbbelasteten Marlon Frey vertreten und helfen, den 1:0-Vorsprung zu sichern. Dass hinterher alle über ihn sprachen, lag an einem Blackout. Verunglückter Rückpass, Ingolstadts Ausgleich, 1860 entglitt das gesamte Spiel, und das Beste aus Rieders Sicht waren die Reaktionen aus dem Team. „So ein Fehlpass kann passieren, Tim war lange verletzt“, baute Albion Vrenezi seinen Kumpel auf (zusammen waren sie 2022 von Türkgücü gekommen). Auch Kapitän Jesper Verlaat sagte: „Kein Vorwurf an Tim!“ Und der Trainer? Der steht zu seiner Entscheidung, Rieder von der Leine gelassen zu haben: „Alle sagen jetzt: Warum hast du den Tim gebracht?“ Jacobaccis Antwort fiel eindeutig aus: „Erfahrung! Physis! Er ist in einer Halbzeit mehr als 6,5 Kilometer gelaufen. Also physisch ist er bereit.“ Mit anderen Worten: Rieders Körper ist willig – und der Wettkampfstress, den sein Kopf braucht, der lässt sich eben nicht im Training simulieren.
Was zur Frage führt: Bringt ihn Jacobacci am Samstag erneut? Wieder als Joker oder gar in der Startelf? Der Trainer wirkt hin- und hergerissen. „Ich muss nicht um den Brei reden“, sagte er: „Wenn wir nicht das 1:1 bekommen, gewinnen wir das Spiel. So ist Fußball. Also ist es meine Schuld.“ Andererseits weiß er: Was es jetzt braucht, ist eine Reaktion. Von Rieder, vom Team, auch von Jacobacci selbst wird ein Sieg erwartet. Damit Halle nicht ein zweites Mal in diesem Jahr für einen sportlichen Tiefpunkt steht.