Bis zur EM – und vielleicht länger

von Redaktion

Julian Nagelsmann tritt beim DFB an: Seine Spielidee, seine Haltung zu Neuer

VON GÜNTER KLEIN

Frankfurt/München – Der neue deutsche Fußball-Bundestrainer trug gedeckte Farben: Hose grau, Shirt und Jacke darüber schwarz. Julian Nagelsmann (36) wurde ja oft schon über Auffälligkeiten bei seiner Kleiderwahl wahrgenommen, und einen Seitenhieb in eigener Sache erlaubte er sich bei seiner Vorstellungs-Pressekonferenz auf dem Frankfurter DFB-Campus. Er bezeichnete sich als „Bauchgefühlsmensch“ und erläuterte: „Was nicht immer gut ist, da kauft man sich auch mal eine Hose, die man nicht kaufen sollte.“ Jetzt aber, im höchsten Traineramt der Republik und mit dem Großereignis Heim-Europameisterschaft vor sich, muss er natürlich ein wenig staatstragend wirken.

Julian Nagelsmann trägt – das ist nun offiziell – die Erwartungen einer Fußballnation, die eben noch an sich gezweifelt hat. DFB-Präsident Bernd Neuendorf blickt zurück auf das 1:4 gegen Japan vor zwei Wochen und die daraus resultierende Entwicklung: Freistellung von Hansi Flick und „Festlegung eines internen Rankings“. Nagelsmann sei „der erste Ansprechpartner gewesen“. Sportdirektor Rudi Völler: „Es war ein Glücksfall, dass zu diesem ungewöhnlichen Zeitpunkt ein solcher Trainer auf dem freien Markt zu haben war.“

Ganz frei war Nagelsmann nicht, er und der Verband haben sich mit dem FC Bayern auf die Freigabe einigen müssen. Für den jungen Trainer bedeutet dies zunächst eine Einbuße: Denn statt eines Vertrags bis 2026 in München hat er lediglich einen bis zum Ende der EM 2024 beim DFB. Er hat „die Erfahrung gemacht, dass ein Vertrag nicht immer das ist, was drinsteht“. Wichtiger ist ihm, „dass die Arbeit das Vertrauen weckt und nicht das Vertragspapier“. Stelle man nach dem Turnier fest, dass sein Wirken „befruchtend ist, ist es von meiner Seite nicht ausgeschlossen, dass es weitergeht“.

Vorerst aber ist die EM der klare Fokus. Als Assistenten nimmt Nagelsmann sich seinen Vertrauten Benjamin Glück (37), der auf allen seinen Profistationen dabei war und „weiß, wie ich ticke“, sowie Sandro Wagner (35) „den ich schon lange kenne“. Dessen Mitwirkung finalisierte Nagelsmann in einem Ferngespräch am Donnerstag: „Das Telefon wurde warm an meinem Ohr, weil er gebrannt hat.“ Wagner war schon beim 2:1 gegen Frankreich dabei – unter der Interimsleitung von Rudi Völler und mit Nachwuchsdirektor Hannes Wolf an seiner Seite.

Nagelsmann fängt mit der USA-Reise und den Spielen gegen USA (14. Oktober) und Mexiko (18.) an, festgelegt hat er sich in einem Punkt schon: Ilkay Gündogan, von Hansi Flick noch zum Kapitän ernannt, bleibt das auch, „weil ich von Ilkay als Mensch und Spieler extrem überzeugt bin“. Die für ihn brisante Personalie Manuel Neuer stellt Nagelsmann zurück: „Wenn er hundert Prozent gesund wird, werden wir die Situation bewerten.“ Das Spielsystem soll „gesunde Aggressivität in Richtung gegnerisches Tor“ ausstrahlen, „wir wollen Präsenz in den Sechzehner reinbringen und den Gegner stressen“. Zu kompliziert will Nagelsmann seine Idee nicht ausgestalten: „Wir werden keine 14 Grundordnungen haben.“

Es geht ausschließlich um Erfolg bei der EM 2024, in die fundamentalen Fußballzukunftsthemen wird Nagelsmann sich derzeit trotz „freier Hirnkapazität“ nicht einmischen. Er ließ es sich aber nicht nehmen, am Freitag gleich zum Amateurfußballkongress auf dem Campus mit 400 Teilnehmern zu gehen. Schließlich war er „nach einigen Urlauben“ voller Erlebnis- und Tatendrang.

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