„Wir müssen aufwachen!“

von Redaktion

Basketball-Star Satou Sabally über Rassismus, Förderung von Frauen im Sport und die WNBA

Satou Sabally geht voran. In der WNBA überzeugt die 25-Jährige mit den Dallas Wings in den Playoffs. Abseits vom Sport äußert sich die Basketballerin immer wieder deutlich zu gesellschaftlichen Themen. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Sabally über die Förderung von Frauen im Sport, Rassismus als globale Pandemie und ihre Wurzeln in Gambia.

Satou Sabally, Sie wurden als „Most Improved Player“ ausgezeichnet, Anfang September haben Sie 40 Punkte aufgelegt. Auch in den Playoffs drehen Sie auf. Es wirkt, als hätten Sie Ihr Spiel noch mal auf ein neues Level gehoben.

Auf jeden Fall. Mein ganzes Spiel ist deutlich runder. Ich habe mehr Selbstvertrauen im Post. Ich weiß jetzt, wie die Liga abgeht und kann das Spiel besser lesen. Ich bin auch physisch stärker geworden, das ist alles zusammen gekommen in diesem Jahr.

Ist von der deutschen Basketball-Euphorie nach dem WM-Titel auch etwas zu Ihnen nach Amerika geschwappt?

Die ganze Umkleidekabine musste das Finale anschauen (lacht). Ich war vollkommen dabei und habe mich auch bei manchen Spielern gemeldet, um Support zu zeigen. Was die Mannschaft geleistet hat, ist einfach unglaublich. Zu Maodo Lo aus Berlin habe ich früher immer aufgeschaut, die Wagner-Brüder kenne ich seit der Jugend. Dieses Team hatte so viele schöne, individuelle Geschichten – und jeder hat alles für den Erfolg reingeworfen. Beim nächsten WM-Titel sollte es auch eine Parade geben (lacht).

Was hat Basketball Ihnen in der Jugend bedeutet?

Ich konnte von klein auf immer schon sehen, was für unterschiedliche Ressourcen es bei der Förderung von Männern und Frauen gab. Ich bin ein Sprachrohr für junge Mädchen, die sich vielleicht nicht trauen, auf den Court zu gehen, weil dort überwiegend Jungs sind. Ich wurde auf dem Freiplatz entdeckt, als ich dann in der Nationalmannschaft gespielt habe, habe ich gemerkt: Okay, Basketball geht über Berlin hinaus, das ist was Internationales. Irgendwann habe ich gecheckt: Es gibt eine NBA, eine WNBA, da kann ich auch mal hinkommen. Man gewinnt Selbstvertrauen durch den Sport. Lernt mit Niederlagen umzugehen. Man erfährt eine Gemeinschaft, die es sonst nur selten gibt.

Muss der Verband Frauen-Basketball noch intensiver fördern?

Vor zwei Jahren hätte ich definitiv gesagt: Da muss noch viel mehr gehen! Aber es bewegt sich einiges. Ich hoffe, der WM-Titel gibt noch mal einen Push. Wir haben eine Frauen-Mannschaft, die sich für Olympia qualifizieren kann. Daher sollte der DBB auch in uns mehr Euros investieren, gerade weil wir jetzt so eine große Chance haben. Ich glaube aber auch, dass das jetzt passiert und da jetzt alle wach sind. Der Basketball in Deutschland ist auf einem sehr guten Weg. Es ist noch ein langer Weg, aber wir müssen diese Welle jetzt mitreiten. Der Basketball-Wirbel ist so riesig, da darf man die Frauen nicht vergessen. Da muss man den Funktionären auch mal auf die Zehen treten und sagen: Hey, was ihr bei den Männern macht, wird auch bei uns funktionieren. Nehmt uns mit!

In Ihrer Heimatstadt Berlin haben Sie einen integrativen Basketball-Court eröffnet. Welche Botschaft steckt dahinter?

Das ist ein Traum, der wahr geworden ist. Durch den Sport haben sich für mich so viele Türen geöffnet. Ich habe Leute kennengelernt, die ich bis heute als beste Freunde habe. Mit so einem Ort möchte ich etwas kreieren für die nächste Generation. Jede sportbegeisterte Person, egal ob du laufen kannst oder im Rollstuhl sitzt, egal welche Sexualität oder Religion du hast, soll sich an dem Ort wohlfühlen. Auch als Frau hast du das Recht, auf dem Court zu stehen und nicht weggeschickt zu werden. Ich bekomme so viele Geschichten mit von dem Platz, so viele Menschen sind mit einem Lächeln auf dem Feld, das ist unglaublich.

Sie sehen sich selbst nicht nur als Athletin, sondern auch als Aktivistin, die ihre Bühne für Botschaften nutzt.

Das ist meine Persönlichkeit. Ich bin mir immer selbst treu geblieben. Ich habe eine Bühne, die will ich nutzen. Mir folgen Menschen, weil ich einen Ball in den Korb werfe. Mir folgen Menschen, weil ich inspiriere. Ich möchte meine Werte mitgeben. Werte, die für Menschenrechte stehen. Ich glaube nicht, dass das jeder tun muss. Bei Sportlern ist das oft ein schmaler Grat. Die Aufregung ist sofort riesig, wenn Sportler was Falsches sagen.

In der WNBA hat die Spielergewerkschaft schon etwas bewirkt, beispielsweise eine bessere Bezahlung für die Athletinnen.

Es geht ja nicht darum, dass wir auf Anhieb zehn Millionen Euro bekommen. Aber warum muss ich zehntausend Euro bekommen, während ich das Gleiche mache wie die Männer? Da fühlt man sich als Frau nicht als Teil der Gesellschaft. Es sollte keine Person runtergedrückt werden, nur weil sie woanders herkommt oder ein anderes Geschlecht hat. Zunächst mal wollen wir, dass wir ernst genommen werden und dass uns zugehört wird. Das ist die Basis. Im Miteinander Veränderungen zu bewirken.

Sie haben Rassismus einmal als globale Pandemie beschrieben. In Amerika haben Sie die Amtszeit von Donald Trump miterlebt und haben immer wieder klare Kante gezeigt.

Wir dürfen Rassismus nicht unter den Teppich kehren, ganz einfach gesagt. Es ist ein Fakt. Es gibt Rassismus. Man hat das Gefühl, dass es im Schlafmodus war, eher unterschwellig und jetzt kommt alles hoch. Racial Profiling gibt es auch in Deutschland, die AfD bekommt immer mehr Zulauf. Man sollte einfach mal einen Blick in die Vergangenheit werfen. Wir haben Großeltern, die in ihrer Kindheit grausame, rassistische Dinge erlebt haben. Und das ist immer noch nah an uns dran. Wir dürfen nicht vergessen, was damals passiert ist – und müssen uns das gerade jetzt wieder ins Bewusstsein rufen. Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz an erster Stelle verankert. Ich habe das Gefühl, davon sind wir als Gesellschaft ein wenig weggekommen. Wir müssen aufwachen und merken, dass Alarmstufe herrscht. Die Gen-Z ist jetzt Teil der Gesellschaft und kann wählen gehen. Wir sind die neuen Erwachsenen, die Stellung dazu beziehen müssen, wofür wir als Deutschland stehen möchten.

Wie viel Sorge bereitet es Ihnen, dass die AfD in Umfragen neue Höchstwerte erreicht?

Das macht mir Angst. Ich als schwarze Frau habe Angst davor. In Halle würde ich jetzt nicht gerne abends um halb elf rumlaufen. Aber was ist, wenn ich einen Job habe, der bis zehn Uhr geht? Als Mensch mit Migrationshintergrund ist es gefährlich, in manchen Teilen Deutschlands rumzulaufen. Das sollte sehr alarmierend sein. Für alle Menschen in Deutschland.

Sie haben einige Jahre ihrer Kindheit in Gambia verbracht. Gibt es schon Pläne, das Land noch mal zu besuchen?

Meine Familie war im Sommer in Gambia, ich konnte leider nicht dabei sein. Ich will im Dezember nach Gambia und will auch dort ein Basketballfeld eröffnen, um die Leute zusammenzubringen. Ich habe viele Pläne, auch meinen Wurzeln dort wieder näherzukommen und Gutes zu bewirken, aber meistens fehlt es leider an der Zeit. Aber ich werde definitiv wieder nach Gambia reisen.

Auch Ihre Schwester Nyara spielt in der WNBA, im Sommer haben Sie gegeneinander gespielt. Was war das für ein Gefühl?

Unsere Eltern haben uns immer gesagt: Eines Tages spielt ihr im Madison Square Garden. Jetzt war es das Barclays Center und nicht zusammen, sondern gegeneinander, aber es war supercool. Das Basketballfeld ist wie mein Wohnzimmer, egal wo ich spiele. Und dann sieht man plötzlich seine Schwester dort, das war schon surreal. Wir machen das, was wir lieben, und verdienen damit Geld. Geht doch schlechter, oder? (grinst) Wir leben unseren Traum.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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