Berlin – Von der Magie des Augenblicks gerührt sank Tigist Assefa auf die Knie. Etwas ungläubig lachte die Marathon-Königin von Berlin nach ihrer Lauf-Gala für die Geschichtsbücher im Ziel, ehe sie triumphierend die Arme ausbreitete. Mit einer sensationellen Fabelzeit von 2:11:53 Stunden pulverisierte die Äthiopierin am Brandenburger Tor nicht nur den Weltrekord – sie stellte mit ihrem Auftritt sogar Superstar Eluid Kipchoge in den Schatten.
„Ich habe nicht erwartet, so schnell zu laufen, also 2:12:00 Stunden zu unterbieten, aber es ist das Ergebnis harter Arbeit“, sagte Assefa. Die 29 Jahre alte Vorjahressiegerin war mehr als zwei Minuten schneller als die bisherige Bestmarke von Brigid Kosgei (2:14:04 Stunden), welche die Kenianerin 2019 in Chicago aufgestellt hatte.
Assefa, die einst auf der Mittelstrecke über 800 m begann, hatte 2022 noch in 2:15:37 Stunden gewonnen und die Weltbestmarke nun vor dem historischen Tag gar nicht im Sinn gehabt. „Das Rennen im letzten Jahr war ein unerwarteter Erfolg für mich. Ich denke, dass ich am Sonntag noch schneller laufen kann“, hatte sie gesagt und angefügt, sie „denke nicht an den Weltrekord“. Nun ist sie plötzlich die schnellste Frau der Geschichte und Top-Favoritin für Olympia im kommenden Jahr in Paris. Auch wenn sie sich selbst noch zurückhaltend gab. „Das nationale Komitee muss mich erst auswählen“, erklärte sie.
Zweifel gibt es keine, auch bei Kipchoge nicht, der am Sonntag in Berlin ebenfalls einen historischen Erfolg feierte, aber Assefa das Rampenlicht überlassen musste. In 2:02:42 Stunden siegte der 38 Jahre alte Kenianer zwar zum fünften Mal in der Hauptstadt und krönte sich zum alleinigen Rekordsieger, aber der erneute Weltrekord blieb ihm verwehrt. Wohingegen der deutsche Topläufer Amanal Petros sein Ziel erreichte. Als Neunter hatte er den Deutschen Rekord in 2:04:58 Stunden um zwei Minuten übertroffen. „Nach 25 Kilometern hatte ich Probleme mit meinen Beinen, die waren ziemlich fest, aber die Atmosphäre hat mich nach vorn gebracht“, sagte er.
Altmeister Kipchoge war deutlich langsamer als seine Bestmarke von 2:01:09 Stunden, die er fast auf den Tag genau im Vorjahr in Berlin gelaufen war. „Sicher, ich habe erwartet, dass ich wieder einen Weltrekord aufstellen kann, aber ich kann damit leben, dass es nicht geklappt hat“, sagte Kipchoge nach dem Rennen: „Das kann man nicht jeden Tag machen. Ich hoffe, dass ich meinen Sieg bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris wiederholen kann.“ Kipchoge hat mit seinem Rennen auch die leichten Kratzer an seinem Nimbus der Unbesiegbarkeit nach Platz sechs in Boston beiseitegewischt.
Die von den Klimaaktivisten der sogenannten „Letzten Generation“ angekündigten Störungen blieben aus. Wie die Berliner Polizei bei X mitteilte, versuchten einige Aktivisten, sich auf der Straße des 17. Juni festzukleben, wurden von den Einsatzkräften aber gestoppt. sid/dpa