„Diese Generation ist einzigartig“

von Redaktion

BASKETBALL Bundestrainer Gordon Herbert über Folgen des WM-Triumphs und Team-Psychologie

München – Er ist der gefeierte Autor des deutschen Märchens von Manila. Bundestrainer Gordon Herbert hat die deutschen Basketballer zum Weltmeister geformt. Im Interview spricht der 64-Jährige über den WM-Coup, den FC Bayern und die Weltmeister-Liga BBL

Herr Herbert, bei welcher Titelfeier erreichen wir Sie gerade?

Oh, bei gar keiner. Ich bin in Finnland. In einer Region im Westen, wo eigentlich nichts ist. Sie heißt übersetzt „heiliges Land“. Das genieße ich sehr.

Ihre Weltmeister wurden derweil auch in ihren Heimatstädten empfangen wie Popstars. Hätten Sie solche Szenen im deutschen Basketball für möglich gehalten?

Ganz ehrlich: Nein. Mich hat es sehr gefreut. Es ist toll zu sehen, was da passiert, das ist sehr speziell. Aber ich denke: Die Goldmedaille ist eine Sache. Aber was entscheidend war, ist die Art, wie wir gespielt haben. Wie wir aufgetreten sind.

Das Lob kam von allen Seiten. Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß hat Sie sogar zum Vorbild für den schwächelnden Fußball erklärt . . .

Naja, es ist halt so, dass bei allen individuellen Fähigkeiten dieses Team als Gruppe sehr gut funktioniert hat. Jeder hat jeden unterstützt. Bis hin zu Spielern wie Niels Giffey oder David Krämer, die nicht viel gespielt haben – aber trotzdem extrem wichtig waren. Jeder hat seine Rolle großartig ausgefüllt.

Sie sind studierter Psychologe. Wer war beim Bau dieses Teams mehr gefragt – der Psychologe oder der Trainer Gordon Herbert?

Ich glaube, die beiden gehen Hand in Hand, du brauchst beide. Der Sport, die taktische Seite ist wichtig. Aber es geht auch um Kommunikation. Ich habe mich mit allen Spielern schon vor dem Turnier ausgetauscht und über ihre Rollen gesprochen. Und das ist perfekt aufgegangen.

Wobei es auch Reibungen gab. War der Streit zwischen Daniel Theis und Dennis Schröder in der Partie gegen Slowenien eine Belastungsprobe?

Zumindest war es etwas, worauf du dich nicht vorbereiten kannst. Die beiden kennen sich lange, sie fordern sich heraus. Ich musste sie natürlich runterkühlen.

Schröder zeigte sich später beeindruckt, dass Sie sich für ihre heftige Reaktion in der Auszeit entschuldigt haben.

Ich habe meinen Arm auf seine Schultern gelegt und gesagt, dass ich einen Fehler gemacht habe. Sich zu entschuldigen ist für mich ein Zeichen der Stärke. Keine Schwäche. Wobei ich eines sagen muss: Ein Team kann an solchen Sachen natürlich zerbrechen, uns hat das stärker gemacht.

Wobei der Traum schon im nächsten Spiel, dem Viertelfinale gegen Lettland, hätte vorbei sein können. Schröder hatte seinen schwächsten Auftritt, Lettland den letzten Wurf . . .

. . . den ich mir später noch einmal angeschaut habe. Da habe ich erst gesehen, wie knapp das war. Manchmal liegen die Dinge sehr nahe beinander. Dennis hätte man in den letzten Minuten runternehmen können. Aber wir gewinnen und verlieren mit ihm. Nur so funktioniert es. Und ich wusste nach diesem Spiel auch: Dennis ist ein Wettkämpfer, er wird zurückkommen. Und das ist er ja auch.

Es fällt auf, dass der DBB zuletzt auch im Nachwuchsbereich gute Ergebnisse erreichte, wie EM-Bronze bei der U 18. Ist der DBB auf dem Weg, sich dauerhaft in der Spitze festzusetzen oder ist das eine goldene Generation?

Klar ist: Diese Generation ist einzigartig. Spieler wie Schröder, Theis, Voigtmann oder Lo sind auf ihrem Höhepunkt. Dazu kommen junge Spieler wie Franz Wagner. Das ist eine außergewöhnliche Gruppe. Ich habe von ihr am Anfang unseres Weges ein Commitment für drei Jahre abverlangt. Also für die Eurobasket, für die Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele. Was natürlich nicht heißt, dass es keine Wechsel geben kann. Die hatten wir nach der Eurobasket auch. Moritz Wagner oder Isaac Bonga kamen dazu, die damals verletzt waren. Und auch danach muss niemand Angst haben. Die U 18 oder U 20 sind sehr vielversprechend.

Der Erfolg wird Begehrlichkeiten wecken. Vier ihrer Weltmeister sind schon in der NBA. Dabei dürfte es nicht bleiben.

Zumindest haben viele das Zeug dazu. Ich denke Maodo Lo oder Johannes Voigtmann hätten es schaffen können. Aber da gehört auch Glück dazu. Dass du das richtige Angebot zur richtigen Zeit bekommst. Andi Obst könnte es schaffen – wenn er das will. Auch Justus Hollartz könnte in zwei Jahren in der NBA sein. Es ist halt ein unterschiedliches Spiel, auf das man sich einstellen muss.

Und generell? Welchen Effekt des WM-Hypes würden Sie sich wünschen?

Es wäre schön, wenn durch uns neue junge Spieler in den Sport kommen. Und ich fände es schön, wenn wir im Fernsehen noch mehr verankert sein könnten. Immerhin sind wir in der FIBA-Weltrangliste jetzt auf Platz drei. So hoch wie noch nie zuvor.

Wozu eigentlich zwei Mannschaften beigetragen haben. Durch die Zwistigkeiten zwischen FIBA und Euroleague können Sie in den Länderspielfenstern nicht auf Ihre besten Spieler zugreifen.

Dadurch haben viele Spieler gespielt, die normalerweise nicht die Chance gehabt hätten, ja. Insgesamt haben wir 39 Spieler eingesetzt. Aber ich sehe, dass beide Seiten miteinander reden, dass es Annäherungen gibt. Vielleicht einigt man sich auf nur ein Länderspielfenster, in dem man entsprechend mehr Spiele macht. Ich bin da ganz zuversichtlich.

Letztlich ist eine Nationalmannschaft auch das Produkt einer Liga. Ist die BBL weltmeisterlich?

Wenn wir von der Infrastruktur und den Organisationen sprechen, dann ist sie für mich die Nummer eins in Europa, kein Zweifel. Sportlich ist es noch ein weiterer Weg, aber auch da sehe ich sie in den Top-5. Und die Entwicklung geht weiter. Es gibt viele sehr gute Trainer und herausragende Manager.

Zu den Trainern gehört in Bayerns Pablo Laso ein Mann der Top-Kategorie. Er brachte in Serge Ibaka einen NBA-Star mit. Vor wenigen Jahren schien das noch undenkbar.

Vor allem ist Pablo nicht nur ein toller Trainer. Er ist ein noch besserer Mensch. Ich bin total begeistert, dass er jetzt in der Bundesliga arbeitet. Leute wie er und Ibaka werden der Liga sehr nützen. Das macht sie glaubwürdig.

In beiden Fällen war es der FC Bayern, der die Personalien möglich machte. Ist es Zufall, dass viele Meilensteine erreicht wurden, seit die Münchner in die BBL aufgestiegen sind?

Es ist auf jeden Fall sehr gut, dass die Bayern in der Liga sind. Sie bringen Interesse und neue Möglichkeiten. Aber sie haben auch die richtigen Leute. Marko (Geschäftsführer Pesic, d. Red.) macht einen großartigen Job. Vor ihm hatte ich schon als Spieler größten Respekt. Er ist ein Siegertyp, vielleicht der größte, den ich kenne. Oder auch sein Vater Svetislav, der ja lange in der BBL gearbeitet hat. Von ihm habe ich als Trainer viel gelernt.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel, dass man mit harter Arbeit vieles erreichen kann. Oder was es heißt, eine funktionierende Mannschaft zu bauen. Auch er ist ein Sieger, er hat alles gewonnen, was man gewinnen kann. Auf jeder Ebene, in den größten Ligen, in der Euroleague und mit Nationalmannschaften.

Insgesamt fällt auf, dass auch die deutschen Clubs mehr Spuren in Europa hinterlassen. In der Euroleague sind seit einiger Zeit sogar zwei Teams Stammgäste.

Das sehe ich auch so. Bayern war zweimal in den Top-8 der Euroleague, nahe am Final-4. Irgendwann werden sie es angreifen. Berlin hat ein junges Team, Das wird sehr spannend zu sehen. Aber auch sonst – Bonn hat die Champions League gewonnen, Ulm kam im Eurocup weit. Das sind sehr, sehr gute Entwicklungen.

Was fehlt nach ganz oben?

Ich denke, du brauchst bei diesem Spielplan fast schon zwei Besetzungen. Bei Bayern geht es schon in diese Richtung. Und du musst Charter fliegen, Berlin ist zum Beispiel sehr viel Linie geflogen. Da verlierst du sehr viel Zeit. ich denke das hat ihnen weh getan.

Beide Teams haben vergangene Saison dafür in der BBL bezahlt.

Das kann sein. Und trotzdem war das letzte Jahr gut für die BBL. Viele haben davon gesprochen, dass immer nur Bayern oder Berlin Meister werden. Und nun waren Ulm und Bonn im Finale.

Eine Momentaufnahme?

Ich glaube nicht. Ich glaube, dass es eng bleibt. Bayern und Berlin mögen die Favoriten sein. Aber ich glaube, Ulm wird wieder sehr stark sein, auch Bonn sehe ich wieder mit vorne. Oldenburg oder auch Ludwigsburg sind immer sehr gut.

Interview: Patrick Reichelt

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