Rückkehr nach dem Reha-Sommer

von Redaktion

Yasin Ehliz und der Kampf des verletzten Athleten um seine Identität

VON GÜNTER KLEIN

München – Einen Scorerpunkt hat Yasin Ehliz in dieser Saison noch nicht erzielt. Aber in jedem seiner bisher zwei Spiele gab es einen typischen Yasin-Ehliz-Moment, in dem er turbogetrieben durch die gegnerische Abwehr stieß, kraftkugelig, den Kopf voran. „Wir sind sehr froh, dass Yasin zurück ist“, sagt Toni Söderholm, Trainer des EHC Red Bull München, „er ist für jede Mannschaft eine Bereicherung“. Aber er war jetzt halt verletzt, so lange wie noch nie in seiner Karriere.

Yasin Ehliz (30), gebürtiger Tölzer, stand stets für Unverwüstlichkeit. Als er noch für die Nürnberg Ice Tigers spielte, schlug ein Puck an seinem Ohr, der halbe Knorpel war weg. Zwei Tage nach dem Blutbad machte er sein nächstes Spiel.

Die Verletzung, die ihn nun einschränkte, hat sein Verein nie definiert. In diesem Punkt ist das Eishockey zum Geheimorden geworden, es unterscheidet allenfalls zwischen Ober- und Unterkörperverletzung. Bei Ehliz wurde nur bekannt: Es war eine Muskelverletzung. „Es ging schon vor den Playoffs los“, blickt Ehliz zurück. Er kam aus der ertragreichsten Saison seiner Laufbahn, absolvierte alle 56 Spiele, hatte 60 Scorerpunkte, wurde als „DEL-Spieler des Jahres“ ausgezeichnet. In den Playoffs biss er sich durch, schoss sieben Tore, war aber nicht mehr so prägend wie in der „regular season“. Die Weltmeisterschaft wollte er unbedingt spielen, stieß in der Vorbereitung in München zur Nationalmannschaft – doch seine Einschränkungen waren offensichtlich. „Einen Tag vor dem letzten Testspiel hier gegen die USA musste ich absagen“, so Ehliz. Verbands-Sportdirektor Christian Künast: „Er stand mit Tränen in den Augen vor mir.“ Bundestrainer Harold Kreis: „Er hätte nicht annähernd seine Leistung abrufen können.“ Und so wurde Ehliz nicht wie die anderen Vizeweltmeister. „Ich habe aber mitgefiebert.“ 2018 hatte er mit dem deutschen Team – damals noch als Nürnberger – Olympia-Silber gewonnen.

Die Reha zog sich über den ganzen Sommer. Mai, Juni, Juli, August, erst im Verlauf des September durfte Ehliz aufs Eis, vor zwei Wochen stieg er ins Teamtraining ein.

Keine mental leichte Zeit, so Toni Söderholm: „Als Athlet läufst du Gefahr, in diesem Reha-Prozess deine Identität zu verlieren – denn man kann nicht ausüben, was man trainiert.“ Ehliz sei aber bei sich geblieben, „er hat sein Reha-Programm vorbildlich absolviert“.

Was Ehliz nun braucht: Eiszeit, damit die Spielkondition zurückkehrt. Er muss auch eine Reihe finden, vorige Saison stand er mit Ben Smith und Austin Ortega in einer festen Beziehung. Gegen Köln am Freitag (2:5) waren seine Partner Ben Street und Trevor Parkes, am Sonntag in Bremerhaven (5:2 mit zwei Empty-Net-Toren) Ortega und Chris DeSousa.

Der EHC München hat sich von den Ergebnissen her gefangen, ist Fünfter mit überschaubarem Rückstand von drei Punkten auf die Spitze, aber noch nicht ganz bei sich. Die neue Saison fühlt sich nicht so an wie die alte. Bei Yasin Ehliz, bei allen.

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