Geisenberger-Rücktritt

Stolz in den Ruhestand

von Redaktion

MATHIAS MÜLLER

Wirklich überraschend kam der Schritt nicht – zumindest für alle Mütter und Väter dieser Welt. Dass Natalie Geisenberger, die im März nach Sohn Leo mit Tochter Lina ihr zweites Kind zur Welt brachte, ihren Rodel endgültig in die Ecke stellt, war fast zu erwarten. Sich mit 35 Jahren ein weiteres Mal der großen Comeback-Herausforderung mit all den Entbehrungen zu stellen, wäre ambitioniert gewesen. Klar, die Miesbacherin hat immer geliefert, wenn es darauf ankam. Und wenn man es jemandem zugetraut hätte, dann vielleicht ihr. Aber auf der anderen Seite hat es Geisenberger auch einfach nicht mehr nötig.

Sie ist die erfolgreichste deutsche Winterolympionikin der Geschichte. Sechs Goldmedaillen und einmal Bronze hat sie im Zeichen der Ringe gewonnen. Dazu kommen neun WM-Titel und so viele Weltcup- und Gesamtweltcupsiege, dass man sie kaum zählen kann. Die Zweifach-Mama muss niemand mehr etwas beweisen. Weder sich selbst noch einem Funktionär oder der Konkurrenz. Überhaupt hat es Geisenberger aus der engen Rodelbahn ziemlich weit in die große (Sport-)Welt hinausgeschafft. Nach ihrem ersten Olympiasieg durfte sie den DFB-Pokal („Der ist ganz schön schwer“) beim Finale in Berlin auf den Rasen tragen, und in ihren letzten Jahren trat sie vermehrt als IOC-Kritikerin und Kämpferin für Mütter im Sport in Erscheinung. Vor ihren letzten Olympischen Spielen 2022 in Peking war sie zudem in der engeren Auswahl, die deutsche Fahne zu tragen.

Sicher gab es auch die Momente, in der in der Königssee-Trainingsgruppe „Sonnenschein“ nicht selbiger herrschte. Geisenberger war dann nicht immer Everybody’s Darling. Sie hatte ihren eigenen Kopf und konnte anecken, aber sie ist sich in all den Jahren auch treu geblieben. Und sie hat nie den Fokus verloren. Natürlich ist das Rodeln nicht so umkämpft wie andere Sportarten. Es gibt vielleicht etwas mehr als eine Handvoll Nationen, die ernsthaft in Kufen und Schlitten investieren. Und dennoch muss man es erst einmal schaffen, so lange von der Spitze zu grüßen. Geisenberger hat einfach aussehen lassen, was in der Realität unglaublich schwer ist.

Das Rad der Zeit wird sich auch nach ihrem Rücktritt weiterdrehen und der Verband hat vermeintlich ein paar mögliche Thronfolgerinnen am Start sitzen, aber „Gold-Geisi“ wird so schnell keiner vergessen.

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