München – Sonst ist Gernot Weigl immer in Berlin, wenn Marathon gelaufen wird, Diesmal nicht, er saß am Sonntag in München im Büro. Die Veranstaltung, die er organisiert, findet zwei Wochen nach Berlin statt, und weil nun erstmals das Bayerische Fernsehen drei Stunden live dabei sein wird, fällt für den München Marathon am 8. Oktober noch mehr Arbeit an. Doch vom Schreibtisch blickte Gernot Weigl fasziniert zum Bildschirm und nach Berlin. „Es ist unglaublich, was da abgelaufen ist“, sagt er. Er bezieht sich auf den Weltrekord-Sturm der Äthiopierin Tigst Assefa in 2:11:53 Stunden. „Ein Quantensprung – und wenn man ihren Laufstil gesehen hat: Das war noch nicht das Ende der Entwicklung.“
München wird nicht mit Zeiten und Zahlen wie Berlin aufwarten können, doch definiert sich seit dem vergangenen Jahr nicht mehr nur als regional relevantes Rennen, sondern auch über die Leistungen an der Spitze. 2022 wurden bei Männern und Frauen Streckenrekorde aufgestellt. Philimon Kipchumba 2:07:27, Agnes Keino 2:23:26. Beide aus Kenia.
Auch 2023 wird das Elitefeld kenianischen Einschlag haben. Doch München will auch eine deutsche Erfolgsgeschichte schreiben. Vieles dreht sich darum um Sebastian Hendel (27) von der LG Braunschweig. Voriges Jahr gab er in München sein Marathon-Debüt in 2:10:37, das Ziel ist es, ihn unter die 2:10er-Marke zu bringen, vielleicht sogar unter 2:08. Auf Hendels Wunsch wurde mit Johannes Motschmann (29), bei den European Championships vorigen Sommer in München 16., als Pacemaker verpflichtet. Und: Hendel steht bei Adidas unter Vertrag, das gerade einen nur noch 138 Gramm schweren Marathon-Wettkampfschuh für 500 Euro in limitierter Stückzahl herausgebracht hat, den am Sonntag Tigst Assefa und auch Amanal Petros bei seinem Deutschen Rekord (2:04:58) trugen. Setzt auch Hendel auf die Wundertechnologie? „Daraus wird oft bis zuletzt ein Geheimnis zwischen Athlet und Ausrüster gemacht“, sagt Michael Kraus.
Kraus, ein ehemaliger Triathlet, hat das Elitefeld für München zusammengestellt. Luke Kibet Cheruiyot, Cornelius Chepkok und Jackson Rutto waren im April in Linz am Start und finishten unter den Top Fünf, Teclah Chebet gewann bei den Frauen. Ihre 2:27:18 bei widriger Witterung (Kraus: „Regnerisch, windig“) und die Tatsache, dass die Zweite von Linz, die Regensburgerin Domenica Mayer, in Berlin eine 2:23 lief, lassen darauf hoffen, dass Chebet den Münchner Streckenrekord angreift. Das traut Kraus auch Catherine Cherotich zu, die heuer den Nairobi Marathon in 2:26:41 Stunden absolvierte – in der dünnen Luft auf 1800 Metern Höhe. Ein Geheimtipp ist die erst 22-jährige Flomena Ngurasia (bisher 2:30:42).
Gernot Weigl freut sich auf Frauen-Power für seinen Marathon. Er zitiert Ernst van Aaken, den Ausdauer-Papst (1910 bis 84), der in seinem Buch „Programmiert für 100 Lebensjahre“ vorhersagte: Je länger die Strecke, desto näher würden die Frauen den Männern kommen.
Sie holen nicht nur in der Spitze auf, sondern auch in der Breite. München bietet auch einen Halbmarathon, nach Meldeschluss registrierte Weigl, dass 49,5 Prozent der Teilnehmenden weiblich sind. „Halbmarathon wird zur Frauenstrecke.“ GÜNTER KLEIN