Münster – Den besten Tipp hatte Leon Goretzka aus der Heimat bekommen. Denn als Thomas Tuchel den 28-Jährigen am Dienstag von der ungewohnten Rolle in Kenntnis gesetzt hatte, die er am Abend im Pokalspiel bei Preußen Münster einnehmen würde, war der erste Griff zum Handy gegangen. Einem „alten Kumpel“ mit Abwehr-Erfahrung hatte der Aushilfs-Innenverteidiger geschrieben, „und der hat mir mitgegeben, dass ich den Ball auch mal ins Aus schießen darf“, erzählte Goretzka nach dem 4:0 (3:0) in der ersten Pokalrunde. Er überlegte kurz, bevor er lachend hinzufügte: „Das war aber nicht nötig.“
In der Tat hatte der Nationalspieler, der nach den Ausfällen von Matthijs de Ligt, Dayot Upamencano und Minjae Kim gemeinsam mit Noussair Mazraoui eine Reihe weiter hinten gefordert war als normalerweise auf der Sechs, keine einzige brenzlige Situation zu lösen. Das allerdings lag nicht ausschließlich daran, dass die Gastgeber selten den Weg nach vorne fanden, sondern auch daran, dass Goretzka sich in den Dienst der Mannschaft stellte und eine überragende Leistung zeigte. Ein „absoluter Führungsspieler“ sei der temporäre Abwehrboss gewesen, lobte Sportdirektor Christoph Freund, der nur bestätigte, was alle gesehen hatten: „Man hat nicht gemerkt, dass das das erste Mal war.“ Sowohl im Stellungsspiel als auch in Spielaufbau hatte Goretzka seine Rolle „ohne mit der Wimper zu zucken“ (Tuchel) verinnerlicht. „Ich habe versucht, mein Bestes zu geben,“ sagte er. Das gelang.
Der Interview-Marathon im Anschluss war lang, selten aber hat man Goretzka so breit grinsend und so auskunftsfreudig vor den Kameras gesehen. Den „Man of the Match“-Pokal trug er stolz bei sich, immer wieder spürte er anerkennende Klopfer auf seinen Schultern. Natürlich war ihm bewusst, dass „die Statik des Spiels mir in die Karten gespielt hat“, weil er oft ins defensive Mittelfeld rücken konnte. Trotzdem hatte er über 90 Minuten genau das gezeigt, was Tuchel sich in seinen aus der Not geborenen Gedankengängen erhofft hatte. „Vom Körper, von der Schnelligkeit ist er prädestiniert dafür“, sagte der Trainer, der für seine Kreativität ein Sonderlob von Freund bekam („super gemacht“). Auch Goretzkas Nebenmann Mazraoui ließ nie einen Zweifel an der Eignung für die ungewohnte Aufgabe. Goretzka sagte lachend: „Er hat gesagt, dass er schon mal auf der Position gespielt hat.“
Beinahe wäre Tuchel sogar überschwänglich geworden. Beim Wort „herausragend“ aber bremste sich der Coach und sagte zum Abwehr-Duo lieber: „Sehr, sehr gut.“ Denn wer weiß? Obwohl die Bayern bis Samstag auf eine Rückkehr von Kim und Upamecano hoffen, sprach der Coach von einem „engen Rennen“. Im Fall der Fälle müssten Goretzka und Mazraoui wieder ran. Gut, wenn es dann noch Luft nach oben gibt – und bessere Tipps aus der Heimat. hlr