„Die All Blacks sind hier wie Götter“

von Redaktion

RUGBY  Deutsches Ausnahmetalent Anton Segner trumpft in Neuseeland weiter auf

„Kaffee trinken, frühstücken und Rugby-WM schauen, die Zeitverschiebung macht es möglich. Besser geht es nicht“, sagt Anton Segner am Telefon und lacht. 2017 ist Segner nach Neuseeland gezogen, um dort am renommierten Nelson College Rugby zu spielen. Der Frankfurter überzeugte, lief für die neuseeländische U18 und U20 auf. Nach der Schulzeit unterschrieb der 22-Jährige einen Vertrag bei den Auckland Blues im Super Rugby, die wohl stärkste Liga weltweit. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Segner über das Gefühl, mit früheren Idolen auf dem Platz zu stehen, den berühmten Haka und den Traum von den All Blacks, der sagenumwobenen neuseeländischen Nationalmannschaft.

Anton Segner, Sie spielen seit Anfang 2022 bei den Blues. Ist Ihnen die Eingewöhnung nach der Zeit am College leicht gefallen?

Ich habe anfangs nicht damit gerechnet, viel Spielzeit zu bekommen. Aber direkt in meiner ersten Saison habe ich sieben Spiele gemacht und wir haben es ins Finale geschafft. Diese Saison bin ich zwölfmal eingesetzt worden. Es macht total viel Spaß, wir haben eine eingeschworene Truppe, ich fühle mich sehr wohl.

Im März wurden Sie mit einer überragenden Leistung als Spieler des Spiels ausgezeichnet. Gibt das Selbstvertrauen, wenn man nicht nur mitschwimmt, sondern auch Ausrufezeichen setzt?

Wenn du als Spieler merkst, dass du ein wichtiger Teil der Mannschaft bist und auch den Unterschied machen kannst, gibt das extra Motivation. Die Kunst ist ja, das nicht nur einmal abzurufen, sondern Woche für Woche so zu performen. Meine Teamkameraden haben so ein hohes Niveau. Die pushen mich immer dazu, das Beste aus mir rauszuholen.

Wie war das, als Sie dann plötzlich bekannten Rugby-Spielern, unter anderem auch Kapitänen der All Blacks, gegenüber standen?

In meiner erste Saison bei den Blues gab es schon einige Momente, in denen ich mich erst mal kneifen musste. Auf einmal stand ich neben Beauden Barrett. Das ist einer DER Spieler in Neuseeland. Ich kann mich noch dran erinnern, als ich als Zehnjähriger in Frankfurt seine Highlight-Videos angeschaut habe. Und auf einmal muss ich einen Ball von ihm fangen (lacht). Es hat ein paar Trainings und Spiele gedauert, bis ich das alles realisiert habe. Aber mittlerweile sehe ich auch Beauden wie jeden anderen Teamkameraden.

Zuletzt waren Sie mal wieder auf Heimatbesuch bei ihrem Jugendverein, SC Frankfurt 1880.

Das ist immer wieder besonders. Du siehst Gesichter, die du schon ewig kennst. Es kommen Jugendspieler auf einen zu, die einen anhimmeln, das ist schon etwas sehr Spezielles. Das erinnert mich immer an die schönen Zeiten bei 1880. Dort hat alles angefangen. Bei dem Club habe ich mich das erste Mal in den Sport verliebt.

Und beim ersten Training hatten Sie damals gleich ein Privatduell mit Ihrem Bruder …

Unser erstes Jahr haben wir zusammen in derselben Jugend gespielt. Beim ersten Training wurden wir in gegenseitige Teams gesteckt. Das ganze Spiel über sind wir nur ineinander gerannt, wir waren nur auf uns fokussiert und wollten nur uns gegenseitig weh tun (lacht). Danach haben uns die Trainer erst mal nicht mehr gegeneinander spielen lassen.

Welche Bedeutung hat Rugby in Neuseeland?

Rugby bedeutet hier alles. Es ist so wie Fußball in Deutschland. Letzte Woche als Neuseeland gegen Frankreich gespielt hat, musste ich direkt nach Abpfiff zum Training. Ich bin durch die Stadt gefahren und es war kein Mensch auf der Straße. Weil alle das Spiel schauen. Die All Blacks sind allgegenwärtig. Wenn ein wichtiges Spiel ansteht, schaut das ganze Land zu.

Lösen die All Blacks weiter die Faszination im Land aus?

Das ist auch der Grund, warum viele Spieler überhaupt noch in Neuseeland spielen. Weil sie dieses schwarze Trikot so verehren. Jeder träumt von den All Blacks. Die meisten Spieler könnten mehr Geld verdienen, wenn sie nach Europa oder nach Japan gehen. Aber dieses schwarze Trikot, die Nationalmannschaft, ist so speziell. Sie ist der Grund, warum die Kinder hier mit Rugby anfangen. Der Mythos ist immer da, auch wenn es sportlich mal nicht so läuft. Wenn man hier aufwächst, sind die All Blacks die Götter.

Sie selbst hatten das schwarze Trikot auch schon an.

Ich habe zwei Jahre in der neuseeländischen U18 gespielt und dann auch ein Jahr in der U20. Dort gibt es denselben Haka wie bei den All Blacks. Immer wenn ich dieses Trikot angezogen habe, musste ich an die Zeit in der Jugend zurückdenken, als ich mir zahlreiche Trikots der All Blacks bestellt habe und so verliebt in dieses Team war.

Hatten Sie den Haka schnell drauf?

Ich habe früher so viele Haka-Videos auf YouTube angeschaut. Das hat mir geholfen, es schneller zu lernen (lacht).

Sie leben seit über fünf Jahren in Neuseeland und wären somit für die All Blacks spielberechtigt. Liebäugeln Sie damit?

Das ist auf jeden Fall ab und zu in meinen Gedanken. Das Beste, was ich dafür machen kann, ist präsent zu sein und alles aus meinen Möglichkeiten rauszuholen. Ich muss meine Leistung bringen und dann wird das hoffentlich was. Ich will jeden Tag der beste Sportler sein, der ich sein kann. Darauf liegt der Fokus.

Sie sind 1,92 Meter groß und liegen aktuell bei rund 109 Kilo. Ist das die perfekte Physis für Ihre Position?

Bei der Weltmeisterschaft sieht man, dass Leute auf meiner Position immer größer werden. Bei Frankreich oder Südafrika haben die Spieler auf meiner Position noch mal acht bis zehn Kilo mehr. Noch mal draufpacken wird auf jeden Fall nicht schaden (lacht). Man kann so viel ins Fitnessstudio gehen, wie man möchte. Am Ende des Tages ist das beste Training immer noch, wenn man einfach selbst spielt. Ich will mich weiter in den Vordergrund spielen.

Von einer WM-Teilnahme ist Deutschland aktuell weit entfernt. Es fehlt am Geld. Wie verfolgen Sie das aus der Ferne?

Das finde ich auf jeden Fall schade. Wir haben in Deutschland extrem viel Talent. Da bin ich bei Weitem nicht der Einzige, der auf hohem Level spielen kann. Daher wäre es wünschenswert, wenn die Nationalmannschaft bessere finanzielle Möglichkeiten hätte und damit auch die Möglichkeit auf höherem Niveau zu spielen. Aber andere Sportarten sind nun mal in Deutschland ziemlich dominant. Ich will der Jugend als Vorbild dienen, dass man es auch als Spieler aus Deutschland auf das höchste Level schaffen kann.

Interview: Nico-Marius Schmitz

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