„Sesko? Er hat was von Haaland“

von Redaktion

Lothar Matthäus über Leipzigs Stärken, Bayerns Schwächen und Sportdirektor Freund

Leipzig ist stark. Aber Bayern ist besser. Sagt zumindest Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. Unsere Zeitung hat vor dem Topspiel mit dem 62-jährigen Rekordnationalspieler, der die Bundesliga intensiv verfolgt, gesprochen.

Herr Matthäus, wer ist Ihr Favorit?

Die Bayern sind immer Favorit in der Bundesliga. Aber die Leipziger haben zuletzt zweimal – sogar in München – gezeigt, dass sie dazugelernt haben. Vorher hatten sie erst ein Mal, 2018, gegen Bayern gewonnen. Jetzt gab es zwei verdiente Siege hintereinander. Leipzig hat das Gefühl, wir können auch gegen Bayern bestehen, wenn wir funktionieren und einen Sahne-Tag haben. Aber noch mal: Bayern ist Favorit – in der Bundesliga immer. Egal, ob gegen Dortmund, Leipzig oder Leverkusen. Diese Mannschaften sind die Hauptkonkurrenten auf den Titel. Aber würde man die Bayern und ihre Gegner zu einer Mannschaft zusammenformen, wären immer mehr Bayern-Spieler im Team.

Was muss Bayern besser machen als beim 0:3 im Supercup?

Sie können von Glück reden, dass Olmo leider verletzt ist. Er war mit drei Toren der Man of the Match im Supercup. Aber in dieser Phase war Bayern noch nicht so weit wie jetzt. Wobei man ehrlich sagen muss, dass Leipzig ein anderes Kaliber ist als Bochum und Preußen Münster. Das wissen Thomas Tuchel und die Spieler auch. Sie müssen versuchen, kompakt in der Defensive zu stehen. Das ist in den letzten beiden Spielen gelungen, aber die Gegner hatten auch nicht die Qualität, um die Münchner gefährden zu können

Leipzig hat sich im Gegensatz zu Bayern im DFB-Pokal am Mittwoch beim 3:2 in Wiesbaden sehr gequält.

Leipzig hat ein paar Verletzte, das tut ihnen weh. Da sprechen wir nicht nur von Olmo, sondern auch von anderen wichtigen Spielern. Im Pokal sind auch Spieler mit Blick auf das Spiel gegen Bayern geschont worden. Leipzig wird sicher konkurrenzfähig sein. Die Spieler wissen, was sie zu tun haben. Dass sie die Abläufe kennen, wird eine Stärke sein.

Auch die Bayern hatten zuletzt Verletzungssorgen in der Abwehr. Ein großes Handicap?

Ich glaube nicht, dass sie in der Innenverteidigung so auflaufen wie gegen Münster. Das wäre nicht Bayern-like. Auch auf der Außenverteidiger-Position hat man gute Spieler. Davies ist einer der besten Linksverteidiger auf der Welt, wenn er konzentriert ist. Also, die Bayern sind gut aufgestellt. Auf 14 bis 15 Spieler gesehen haben sie den stärksten Kader der Liga. In den Englischen Wochen könnte es bei Verletzungen ein bisschen eng werden. Aber dann hat man den einen oder anderen Jungen, den man reinschmeißen kann.

Ein positiver Nebeneffekt des dünnen Kaders.

Der Kader ist, wie er ist. Tuchel hätte gerne zwei, drei Spieler mehr gehabt. Das hat er schon vor rund fünf Wochen gesagt. Nun gibt es eben für den einen oder anderen Nachwuchsspieler die Chance, sich zu beweisen.

Der 18-jährige Tel spielt aktuell sehr effizient.

Musiala ist auch erst 20, Davies 22. Bayern hat den Kader von der Altersstruktur her zukunftsorientiert aufgestellt. Dazu gibt es 27-, 28-jährige Spieler mit Kimmich, Goretzka, Coman oder Gnabry – die frühere junge Boyband, deren Mitglieder vor ein, zwei Jahren ihre Verträge verlängert haben.

Hat Tuchel die Bayern seit Amtsantritt Ende März besser gemacht?

Die letzten rund zwei Monate der vergangenen Saison mit der glücklichen Meisterschaft habe nicht nur ich kritisch gesehen. Er hatte schon Probleme, die Mannschaft so hinzubekommen, wie er will. Das dauert seine Zeit. Ich will die Siege gegen Bochum und Preußen Münster nicht zum Gradmesser machen. Auch die ersten Saisonspiele waren nicht so souverän. Gegen Leverkusen hatten die Bayern Probleme, gegen Manchester United haben sie drei Gegentore kassiert. Ich glaube, Tuchel ist aktuell zufrieden, aber er weiß auch, dass noch viel mehr möglich ist mit dieser Mannschaft.

Auch der Leipziger Kader ist gut besetzt. Wie finden Sie PSG-Leihgabe Xavi Simons?

Er bringt Geschwindigkeit und Torgefahr mit, auch im Dribbling ist er sehr stark. Er erinnert mich an Nkunku, aber spielt auf einer etwas anderen Position.

Und den neuen Stürmer Benjamin Sesko?

Er hat was von Haaland. Er hat zwar nicht die absolute Stärke von ihm, aber überzeugt ebenfalls durch tolle Tore, seine Wucht und Kraft. Er setzt seinen Körper gut ein. Er ist ein Top-Torjäger, weiß, wie er sich zu bewegen hat. Und: Er hat vorher auch in Salzburg überzeugt.

Beide wurden von Bayerns neuem Sportdirektor Christoph Freund seinerzeit nach Salzburg geholt.

Er hat dort sehr gute Arbeit geleistet. Sonst würde er jetzt nicht bei Bayern sein. Ich kenne Christoph seit 2006 aus gemeinsamen Zeiten in Salzburg. Er hat immer einen Job gemacht, der nicht nur sportlich Weltklasse war, sondern auch menschlich. Er ist keiner, der nach außen hin große Töne spuckt. Er leistet lieber hinter verschlossenen Türen gute Arbeit. Er ist kein Lautsprecher, er ist freundlich und bodenständig. Mit ihm hat Bayern einen guten Fang gemacht.

Aus der Bayern-Historie ist man gewohnt, dass Chefs starke Sprüche klopfen. Sollte Freund das künftig auch tun?

Es gibt genügend Lautsprecher: Hoeneß, Rummenigge, mal auch Hainer oder Dreesen. Dazu kommen Spieler wie Müller und Kimmich, dich auch mal öffentlich Klartext sprechen. Für Schlagzeilen sorgen die Bayern von alleine – aktuell beispielsweise mit Kane und Sané oder auch mit Neuer, der bald zurückkommt. Da braucht es keinen weiteren Lautsprecher.

Interview: Philipp Kessler

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