Es war und ist eine vielschichtige Diskussion, wie man im Sport angesichts des Angriffskrieges auf die Ukraine mit russischen Athleten umgehen sollte. Die am schwierigsten zu beantwortende Frage ist, inwiefern man das Individuum für die Taten seines Heimatlandes bestrafen darf, kann oder soll. Eine einheitliche Lösung gibt es bis heute nicht. Die meisten Sportarten haben sich dafür entschieden, russische Mannschaften auszuschließen, einzelne Akteure aber starten zu lassen – so auch gestern das Internationale Paralympische Komitee mit Blick auf Paris 2024. Wie schwer es für Ukrainer ist, gegen russische Konkurrenz anzutreten, haben nicht zuletzt die Handschlag-Skandale im Tennis und im Fechten gezeigt.
Insofern hat sich die UEFA mit ihrer Entscheidung, russische Jugendmannschaften wieder in den internationalen Fußball aufzunehmen, auf ziemlich dünnes Eis begeben. Die Türöffner spielten dabei auch Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke, die für die Wiederzulassung stimmten. Weil, so Rummenigge, die „Opfer des Krieges nicht zusätzlich bestraft“ werden sollten. Natürlich sind die russischen Kinder und Jugendliche nicht verantwortlich für Wladimir Putins Größenwahn, aber sind sie hier wirklich die Opfer? Ukrainische Kinder haben oft gar keinen Fußballplatz, keine Schwimmhalle oder keine Turnhalle mehr, um ihren Sport überhaupt auszuüben. Sie leiden unter dem Krieg und sollen nun auch noch gegen Teams des verhassten Nachbarn antreten – was die Ukraine vermutlich boykottieren wird. Sie sind es, die nun doppelt bestraft werden. Daran ändert auch nichts, dass mitunter eine neutrale Flagge Voraussetzung ist. Watzke argumentiert zudem, dass bei den Kindern noch keine „politische Willensbildung“ stattgefunden habe – in einer Zeit, in der eine zwölfjährige Schwedin die (Klima-)Welt auf den Kopf stellt und die aus ihrem Protest resultierende Bewegung Fridays for Future noch heute viele Schüler emotionalisiert.
Dass Schlimmste an dem UEFA-Entschluss aber ist die Signalwirkung, die davon ausgeht. In der Kindererziehung ist nachvollziehbare Konsequenz entscheidend, sonst nutzt der Nachwuchs irgendwann jede sich bietende Lücke. Russlands Position hat sich seit Februar 2022 überhaupt nicht geändert und dennoch werden die Restriktionen jetzt aufgeweicht. Putin musste es nur lange genug aussitzen. So macht das keinen Sinn. Zumal der Sport immer schon politisch war und ist.
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